Iranische Frauen und Fußball: Stadion für alle

In Teheran gingen nun erstmals seit 1981 Frauen legal in ein Fußballstadion. Aber erst musste ein Sitzstreik her, damit sie die WM im TV sehen konnten.

Zuschauer mit einem Transparent

Unterstützung aus Russland: Sogar die Fifa erlaubt die Forderung iranischer Frauen, Fußball zu schauen Foto: Reuters

BERLIN taz | Sie waren dabei. Gegen alle Bemühungen des Regimes, Frauen aus Stadien fernzuhalten, in denen Männerfußball zu sehen ist, waren am Mittwochabend etliche Iranerinnen in das Azadi-Stadion von Teheran gegangen, um sich die 0:1-Niederlage des Iran gegen Spanien auf einem Großbildschirm anzuschauen.

Am Vortag hatte es in lokalen Teheraner Medien geheißen, der gemeinsame Stadionbesuch für Familien sei möglich – erstmals seit 1981. Dann aber, etwa drei Stunden vor Anpfiff, hieß es bei der Nachrichtenagentur Tasnim: „Das heutige Spiel zwischen dem Iran und Spanien wird wegen infrastruktureller Schwierigkeiten nicht nicht im Azadi-Stadion übertragen.“ Die Bevölkerung wurde gebeten, nicht dorthin zu gehen.

Viele Menschen gingen zum Stadion, auch nach dieser Ansage. Auf Twitter und in anderen Online-Netzwerken ist der Sitzstreik dokumentiert, mit dem viele Frauen – und auch viele Männer – ausharrten, bis ihrer Forderung nachgegeben wurde: Eintritt ins Stadion.

Sie spielten auch auf Vuvuzelas, waren mit iranischen Flaggen und anderen Fanutensilien ausgestattet. Viele diskutierten mit den Polizisten, die den Stadioneingang bewachten.

Über eine Stunde dauerte der Protest, dann, etwa eine Viertelstunde vor Anpfiff, gab die Polizei den Weg frei. Die Stadiontore wurden geöffnet, Frauen, Kinder, Männer strömten ins Stadion, und viele dokumentierten den historischen Moment mit Smartphone-Fotos. Wie viele es waren, lässt sich nicht sagen. Iranische Medien berichten, dass im Vorfeld schon 20.000 Tickets für dieses Public-Viewing-Event verkauft worden waren.

Unterstützung durch das Männerteam

Wie die Washington Post berichtete, war für eine kurze Dauer, nachdem die Tore aufgingen, sogar auf dem offiziellen Twitter-Account der iranischen Nationalmannschaft das Foto einer Frau zu sehen, die auf der Stadiontribüne steht und eine iranische Flagge hochhält; der auf Farsi geschriebene Text dazu lautete: „Azadi-Stadion jetzt!“

Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Spanien hatte Irans Kapitän Masoud Shojaei allerdings eine Frage zur Frauenbeteiligung nicht beantworten wollen. „Diese Frage jetzt hier zu beantworten, wäre respektlos gegenüber der WM und den Menschen hier“, hatte Shojaei gesagt. „Hier steht die gesamte Nation auf dem Platz, die gesamte Familie, und solche Themen wollen wir innerhalb der Familie lösen.“

„Alles, was sie wollen, ist, als Gleiche behandelt werden“, twitterte die Menschenrechtsorganisation IranHumanRights. Der Kampf von Frauen um Teilhabe am Männerfußball ist so alt, wie das Verbot, das das islamische Regime im Jahr 1981, zwei Jahre nach der Revolution, verhängt hatte. Immer wieder hatten Frauen versucht, zu Spielen der iranischen Männerliga auf die Tribüne zu gelangen.

Zuletzt hatten im März dieses Jahres etwa 35 iranische Frauen versucht, in das Azadi-Stadion, Heimspielort des populären Persepolis FC Teheran, zu gelangen. Informationen über Verhaftungen wurden vom Regime dementiert, das Innenministerium sprach davon, die Frauen seien an einen „sicheren Platz“ gebracht worden.

Oft sind Frauen, die um ihr Recht auf Teilhabe kämpfen, als Männer verkleidet in die Stadien gegangen. Manchmal erfolgreich, oft wurden sie von Polizisten wieder hinausgedrängt. Dieser jahrzehntelange Kampf ist auch Gegenstand des Spielfilms „Offside“ des iranischen Regisseurs Jafar Panahi aus dem Jahr 2006. Der handelt von einem Qualifikationsspiel für die WM 2006, das deutsche „Sommermärchen“. Im Iran ist der Film verboten, bei der Berliner 2006 erhielt er den „Silbernen Bären“.

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