Islamgegner Wilders in Berlin: Der "Scharlatan" zu Besuch

Der niederländische Islamgegner Geert Wilders spricht vor begeisterten Fans - und ätzt gegen Merkel. Die Justizministerin kontert: Wilders sei eine "zwielichtige Figur".

Auf internationaler Bühne: Wilders spricht in Berlin. Bild: reuters

BERLIN taz | Es war sein erster großer Auftritt in Deutschland - und der sorgt gleich für Ärger. Der niederländische Islamverächter und neuerdings auch Regierungsdulder Geert Wilders von der Partij voor de Vrijheid (PVV) sprach am Samstag in Berlin. In seiner Rede lobte er Thilo Sarrazin (SPD) und ätzte gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Hiesige Politiker konterten: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nannte Wilders einen "Scharlatan". "Ratschläge von zwielichtigen Figuren aus den Niederlanden laufen unserem Bemühen zuwider, die Integration muslimischer Mitbürger zu fördern", sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Rechtspopulistische Angriffe zielten auf eine Spaltung der Gesellschaft. Und Jürgen Trittin (Grüne) nannte den Auftritt Wilders einen Affront gegen die weltoffene Tradition Berlins.

Erst am Samstagmorgen wird den Besuchern, die sich für 15 Euro im Internet angemeldet hatten, der Auftrittsort bekanntgegeben: Wilders kommt ins Hotel Berlin. Mitten in die Hauptstadt, vis-à-vis der CDU-Bundeszentrale. Schon am Morgen umstellen 250 Polizisten mit Gittern das Hotel. Als "hochgefährdet" stuft die Polizei Wilders ein, auch niederländische Beamte begleiten den 47-Jährigen. Die eintreffenden Zuhörer werden penibel kontrolliert. Über 500 sind gekommen. Es sind Menschen im besten Alter, angereist aus der ganzen Republik, viele haben sich schick gemacht. "Schämt euch", rufen ihnen die 120 Gegendemonstranten von der anderen Straßenseite aus zu. "Wilders raus, Nazis raus." Gefährlicher wird es für Wilders nicht mehr.

Als er schließlich im abgedunkelten Hotelsaal die Bühne betritt - wie stets mit blondiertem Schopf und schwarzem Anzug - gibt es stehenden Applaus. Wilders lächelt und winkt in die Runde. Als "lieben Geert" begrüßt ihn René Stadtkewitz. Der frühere CDU-Hinterbänkler im Berliner Abgeordnetenhaus hatte Wilders eingeladen - und war dafür aus seiner Fraktion geflogen. "Keine Sekunde habe ich daran gedacht, die Einladung zurückziehen", sagt Stadtkewitz unter Jubel. Die CDU spreche nicht mehr für die Mehrheit der Deutschen. "Islamkritik aber kommt aus der Mitte der Gesellschaft." Noch im Oktober werde er eine eigene Freiheitspartei gründen.

Wilders doziert schließlich ernst und ruhig, auf Deutsch mit leichtem Akzent. "Wir sind nicht wie Frau Merkel, wir akzeptieren die Islamisierung nicht." Auch Deutschland brauche eine Bewegung, die die deutsche Identität "ohne Schuldgefühle" gegen einen politisch-aggressiven Islam verteidige. Wilders zitiert Koran-Suren und Ronald Reagan, verschärft den Ton: "Appeaser gewinnen keine Kriege." Ein Deutschland "voller verschleierter Frauen und Moscheen" sei nicht mehr "das Deutschland von Goethe, Schiller und Bach". Die Debatte um Sarrazin zeige aber, dass "Deutschland mit sich ins Reine kommt".

Parallel zu Wilders Rede entscheiden in den Niederlanden die Christdemokraten, ihre Minderheitsregierung durch Wilders PVV dulden zu lassen. "Ein historisches Ereignis", jubelt Wilders in Berlin. "Wir werden Holland neu aufbauen." Erstmal aber steht Wilders ab Montag in den Niederlanden wegen Volksverhetzung vor Gericht.

Im Hotel Berlin wird nach beinah jedem Satz des Politikers applaudiert, fast rauschhaft. Besucher mit Wilders-Buttons drängeln später um Autogramme, einer schwenkt die Deutschlandfahne. "Honorig und sympathisch" sei der Niederländer und "die linke Volksbeglückung" bald vorbei, sagt ein 61-jähriger Hannoveraner, früher SPD-Mitglied. Es sind politisch Heimatlose, die sich hier tummeln: Man schimpft auf die "Politikerkaste" und spricht "einfach nur die Wahrheit" aus. Natürlich werde man Stadtkewitz Freiheitspartei unterstützen, bekunden viele. Im Vergleich zu seinem Vorbild wirkt der Ex-CDUler am Samstag aber nervös und fahrig. Ein deutscher Wilders ist er nicht.

Draußen hinter den Absperrgittern steht Mara Tylski mit einem "niet welkom" ("nicht willkommen")-Schild. Sie schäme sich, sagt die Niederländerin, die seit vier Jahren in Berlin wohnt. "Wilders treibt die Dämonisierung von Minderheiten immer weiter und die Holländer lassen sich davon lähmen." Eigentlich wollte sie bald wieder zurück in die Heimat, sagt Tylski. "Momentan habe ich aber keine Lust."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.