Islamismus-Expertin Claudia Dantschke: "Selbst beim Islamismus gibt es große Unterschiede"

Islamismus-Expertin Claudia Dantschke erhält den Ingeborg-Drewitz-Preis. Sie hält nichts von pauschaler Islamkritik à la Sarrazin.

taz: Frau Dantschke, Sie erhalten heute den Ingeborg-Drewitz-Preis. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?

Claudia Dantschke: Sie ist Anerkennung, Bestätigung und Motivation, den eingeschlagenen Weg fort zu setzen.

Sie wurden von der Humanistischen Union für Ihren Einsatz für die demokratische Kultur ausgezeichnet. Worin sehen Sie selbst Ihre Hauptaufgabe?

Einerseits geht es mir um die Analyse dessen, was sich im Bereich Islam und Islamismus tut und wo es demokratiegefährdende Tendenzen gibt. Darüber hinaus engagiere ich mich in Projekten, die demokratische Werte innerhalb der muslimischen Minderheit vermitteln und stärken.

Was hat sich hier in den letzten Jahren verändert?

Die Debatte ist sachlicher geworden, die deutsche Gesellschaft ist informierter geworden. Es kommen kaum noch Leute zu mir, die ganz grundsätzliche Fragen zum Islam haben. Es sind eher Leute, die im Arbeitsleben oder anderswo ganz konkret mit bestimten Gruppierungen konfrontiert sind und sich fragen, wie sie darauf sinnvoll reagieren sollen. Das ist sicher ein Unterschied zur allgemeinen Islam-Debatte, die oft sehr pauschal geführt wird.

Wie sehen Sie diese allgemeine Islam-Debatte? Leute wie Thilo Sarrazin bekommen ja viel Zuspruch, wenn sie gegen Araber und Türken herziehen.

Man muss problematische Entwicklungen klar ansprechen, ich bin gegen jede Verharmlosung. Aber eine pauschaliserende Islamkritik spielt nur den demokratiefeindlichen Kräften auf muslimischer Seite zu. Die können dann sagen: Seht, sie hassen uns! Darum halte ich von solchen polarisierenden Debatten nichts. Bei Thilo Sarrazin hätte ich mir gewünscht, dass die SPD ein klareres Urteil fällt und ihn aus der Partei ausschließt. Seine Aussagen waren klar rassistisch.

Sie konzentrieren sich auf die negativen Seiten des Islam. Tragen Sie dadurch nicht dazu bei, Vorurteile zu schüren?

Ich glaube nicht, weil ich mich von jeder pauschalisierenden Islamkritik klar abgrenze - und ich finde, das muss man auch. Mich stört dieses kulturalistische Denken, das Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft feste Identitäten zuschreibt. Es gibt ja nicht "die Muslime" oder "den Islam", und selbst beim Islamismus gibt es große Unterschiede. Die meisten islamistischen Gruppen in Deutschland predigen ja weder Terror noch Gewalt. Aber sie greifen Erfahrungen von Ausgrenzung und Demütigung auf, und verwenden das für ihre ideologischen Zwecke.

Besonders umstritten ist der türkische Verband Milli Görüs: Innenminister Thomas de Maizière will sie nicht bei der Islamkonferenz haben, Berlins Innensenator Körting dagegen redet mit ihnen.

Ich verstehe zwar, warum Thomas de Maizière sie nicht als Vollmitglied an der Islamkonferenz teilnehmen lassen will. Er scheut vor der symbolischen Anerkennung zurück, die das bedeutet. Aber ich finde, man sollte zumindest auf der Arbeitsebene ruhig mit Milli Görüs reden. Es ist schließlich eine der größten muslimischen Organisationen hierzulande.

Wie kamen Sie eigentlich dazu, sich so intensiv mit dem Thema Islam und Islamismus zu befassen? Welche Rolle spielt dabei Ihre DDR-Vergangenheit?

Ich weiß, was Freiheit und Demokratie wert sind, ich habe ja den Vergleich. Ich habe in Leipzig Arabistik studiert, dazu gehörte auch das Studium der arabischen Geschichte und Religion. Und mir war diese Enge in der DDR am Ende absolut zuwider. Bei manchen Gruppen beschleicht mich heute deshalb ein Déja vu-Gefühl.

Inwiefern?

Dass sich das Individuum der Gemeinschaft unterzuordnet hat. Dass blinde Gefolgschaft herrscht. Oder der Hang, die Verantwortung für Negatives immer bei anderen zu suchen, der zu Verschwörungstheorien führt. Das findet man nicht nur bei Islamisten, sondern auch bei türkischen Rechtsextremen - und das ist durchaus vergleichbar mit den Zuständen in der alten DDR.

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