Islamisten gegen Jesiden in NRW: „Stellvertreterkonflikt“ mit Holzlatten

Der Irakkonflikt schwappt über: In NRW greifen Islamisten Jesiden an. Es kommt zu Tumulten. Ausgewanderte Islamisten versuchen den Konflikt anzuheizen.

Protest von Jesiden nach dem Messerangriff von IS-Sympathisanten in Herford. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Polizeiaufgebot dürfte beträchtlich sein: Am Freitag wollen in Herford (NRW) mehrere Hundert Jesiden gegen die Gewalt der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) im Irak gegen ihre kurdische Glaubensbrüder demonstrieren. Erst am Mittwochabend war es in der Stadt zu wüsten Auseinandersetzungen zwischen Islamisten und Jesiden gekommen.

Laut Polizei hatten sechs Männer einen jesidischen Imbissbetreiber und einen 16-jährigen Gast mit Messern angegriffen und leicht verletzt. Der Inhaber hatte in seinem Schaufenster ein Plakat für die Demonstration gegen die IS aufgehängt.

Am Abend versammelten sich wegen des Angriffs rund 300 Jesiden in Herford zu einem Protestzug. Dabei, so die Polizei, sei es zu Sachbeschädigungen und einem Angriff auf Passanten anderer „Glaubensrichtungen“ gekommen. Ein 24-Jähriger habe Platzwunden erlitten. Augenzeugen berichteten von gegenseitigen Attacken zwischen Jesiden und Islamisten mit Holzlatten und Flaschen.

Die Polizei zog mehrere Hundertschaften zusammen. In der Nacht stoppte sie noch eine 86-köpfige Gruppe und stellte Schlagwerkzeuge und eine Schusswaffe sicher. Laut einem Polizeisprecher wurden die sechs ursprünglichen Angreifer festgenommen. Sie seien „polizeibekannt“ und stammten vorwiegend aus Tschetschenien.

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) bezeichnete die Tumulte als „Auswirkungen des Krieges im Irak“. Der Konflikt führe „zu großer Emotionalisierung der bei uns lebenden Jesiden“. Das sei „verständlich“, nicht aber Gewalt. Sigrid Beer, parlamentarische Geschäftsführerin der NRW-Grünen, warnte vor „gewalttätigen Stellvertreterkonflikten bei uns“.

NRW gilt als Hochburg radikaler Islamisten, der Salafisten. 1.800 der bundesweit 6.000 Aktivisten zählt dort der Verfassungsschutz. Insgesamt macht das einen Bruchteil der muslimischen Gemeinden aus. Auch in Herford waren Salafisten aktiv, mit Infoständen oder im Jugendgefängnis. Ihre Predigergrößen Pierre Vogel oder Ibrahim Abou-Nagie traten hier auf.

In salafistischen Medien wird teils offen für die IS und die Beteiligung am Dschihad geworben. Laut Verfassungsschutz sind inzwischen 400 deutsche Islamisten nach Syrien und in den Irak ausgewandert. Auch sie versuchen über soziale Internetnetzwerke den Konflikt anzuheizen.

Warnung von „verrohten“ Rückkehrern

So rief erst jüngst der Solinger Silvio K. zu Anschlägen in Deutschland auf. „Verpasst ihnen einen Schlag, den sie niemals vergessen werden“, heißt es in einer Botschaft. Das 27-jährige IS-Mitglied benannte als Ziel etwa den US-Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz.

Jäger warnt auch vor „verrohten“ Rückkehrern. Ab September steht einer vor Gericht: Kreshnik B. Der 20-Jährige soll sich im vergangenen Jahr der IS in Syrien angeschlossen und in drei Einsätzen gekämpft haben. Er wurde im Dezember am Flughafen Frankfurt festgenommen.

Andere kehren nicht zurück: Nach bisher unbestätigten Meldungen sollen sich zuletzt zwei Deutsche, der Dinslakener Philip B. und der Frankfurter Raschid B., bei Selbstmordanschlägen im Irak in die Luft gesprengt haben.

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