Israelischer Luftangriff in Jemen: 35 Tote und 131 Verletzte
Bei Angriffen auf mehrere Huthi-Ministerien sterben auch Zivilistinnen und Zivilisten. Die Huthi-Miliz schießt nach den Angriffen erneut eine Rakete auf Israel.

Die Angriffe trafen ein Wohnviertel in der Haupstadt Sanaa, in dem sich das von der Huthi-Miliz kontrollierte „Ministerium für moralische Führung“ befindet. Sie hatten es nach ihrem Staatsstreich in Jemen im Jahr 2014 eingenommen; man könnte es auch als Propaganda-Behörde bezeichnen. Getroffen wurden außerdem ein Öldepot, das Finanz- und das Verteidigungsministerium und mehrere Regierungsgebäude in der Provinz al-Jawf.
Bei dem Angriff auf das Ministerium für moralische Führung im bevölkerungsreichen Stadtteil al-Tahrir wurden zehn Mitglieder einer einzigen Familie, darunter zwei Kinder und vier Frauen, getötet. Die Explosion zerstörte benachbarte alte Häuser und begrub Zivilisten unter sich. Die Medien der Houthis berichteten über den Tod von Mitgliedern ihrer militärischen Pressestelle, gaben jedoch bislang keine Namen bekannt.
Der israelische Militärsprecher Avichay Adraee erklärte: Der Angriff auf die Abteilung für moralische Führung sei absichtlich erfolgt. Er bezeichnete sie als zentral für die Propagandamaschinerie der Houthis. „Die Militärmedienabteilung der Houthis verbreitet Aufwiegelung und Propaganda.“
Die gegenseitigen Angriffe eskalieren immer weiter
Die israelische Armee gab an, dass mehr als zehn Kampfflugzeuge rund 2.300 Kilometer zurückgelegt und dreißig präzisionsgelenkte Bomben auf fünfzehn Ziele in Sana'a und al-Jawf abgeworfen hätten. Viele dieser Ziele, darunter das Verteidigungsministerium, die jemenitische Ölgesellschaft und Militärlager, waren bereits bei früheren Luftangriffen getroffen worden.
Dennoch wurde die Operation als Israels bislang größte bezeichnet. Analysten warnten vor einer Eskalation. Innerhalb weniger Stunden gaben die Houthis bekannt, dass sie in den frühen Morgenstunden des Donnerstags eine Rakete auf Israel abgefeuert hatten.
Die Angriffe Israels folgten auf einen Drohnenangriff der Houthis drei Tage zuvor auf den Flughafen Ramon in der Nähe von Eilat, bei dem israelische Zivilisten verletzt und Flüge gestört wurden. Die gegenseitigen Angriffe sind seit Ende August eskaliert. Bei einem israelischen Angriff in Sanaa wurden damals der Premierminister der Houthis zusammen mit mehreren Huthi-Kabinettsmitgliedern getötet.
Premierminister Benjamin Netanjahu sagte, die Angriffe seien „eine klare Botschaft: Wer uns angreift, den werden wir erreichen, wo immer er sich befindet“. Seine Erklärung kam nur 24 Stunden, nachdem Israel zum ersten Mal die Hauptstadt Katars, Doha, bombardiert und dabei ein Büro der Hamas ins Visier genommen hatte.
Ali al-Bukhaiti, Analyst und Ex-Huthi-Anhänger
Wut auf die Huthis in Jemen
Trotz der hohen Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung versuchten Vertreter der Huthis, die Auswirkungen der Angriffe herunterzuspielen. Sie veröffentlichten Beiträge in den Sozialen Medien, in denen sie behaupteten, der Angriff sei „unvollständig“ geblieben, die Huthi-Luftabwehr habe die israelischen Jets gezwungen, sich vor Beendigung ihrer Mission zurückzuziehen. Diese Tweets lösten wütende Reaktionen unter der Bevölkerung des Jemen aus, die der Gruppe vorwarfen, das Leid der Zivilbevölkerung herunterzuspielen.
Ali al-Bukhaiti, ein politischer Analyst und ehemaliger hochrangiger Huthi-Vertreter, der sich mit der jemenitischen Miliz überwarf, kommentierte: „Die Huthis behaupten, ihre Operationen dienten der Unterstützung der Palästinenser in Gaza. Aber der Krieg in Gaza hat nicht aufgehört. Stattdessen haben sie die Zerstörung und das Leid von Gaza in den Jemen gebracht.“
Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 startete das israelische Militär eine Offensive in Gaza, 2024 folgte der Vorstoß gegen die Hisbollah im Libanon. Der Konflikt um die Region Palästina begann Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die Huthis präsentieren sich als Teil des „Widerstands gegen Israel“, während die international anerkannte Regierung des Jemen ihnen vorwirft, den Interessen des Iran zu dienen. Für die Zivilistinnen und Zivilisten ist das Ergebnis dasselbe: Sie sind gefangen zwischen Bomben und Unterdrückung – und zahlen den höchsten Preis in einem Krieg, der nicht ihrer ist.
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