Israelischer Verteidigungsexperte über Iran: "Totalschaden muss nicht das Ziel sein"

Verteidigungsexperte Saki Schalom rechnet zwischen April und Juli mit einem israelischen Militärschlag gegen Iran. Seine Sorge sind mögliche Gegenschläge.

Der iranische Präsident Ahmadinejad besichtigt eine neu eröffnete Atomanlage. Bild: reuters

taz: Herr Schalom, sind Israels Präventivschlagüberlegungen reine Taktik?

Saki Schalom: Die Warnung wird ernst genommen – auch vom Iran. Israel wird alles daransetzen, dort eine Atommacht zu verhindern. Das meiste, was momentan international in Bezug auf den Iran unternommen wird, geht auf die reale Möglichkeit eines Angriffs aus Israel zurück.

Wie lange wird die Regierung in Jerusalem noch warten?

Israel wird sich erst für einen Militärschlag entscheiden, wenn alle anderen Maßnahmen erfolglos bleiben. Besser wäre, die Sanktionen würden wirken. Ich glaube, dass die USA diese nach den letzten Gesprächen zusätzlich intensivieren werden.

Ist die israelische Luftwaffe überhaupt in der Lage, das iranische Atomprogramm entscheidend zurückzuwerfen?

Um erfolgreich zu sein, müsste eine Operation deutlichen Schaden anrichten. Aber auch bei einem Teilschaden würden in Iran kritische Stimmen laut werden, die fragen, ob sich das überhaupt lohnt. Wenn Milliarden investiert und anschließend große Teile der Anlagen zerstört werden, dann werden die Entscheidungsträger zweimal nachdenken, bevor sie das Programm fortsetzen, noch dazu wenn sie damit rechnen müssen, dass Israel in zwei bis drei Jahren erneut angreifen wird. Ein Totalschaden muss bei einem Präventivschlag nicht unbedingt das Ziel sein.

Experte für israelische Verteidigungsstrategie, den Nahost-Konflikt und die Rolle der Supermächte im Nahen Osten, lehrt als Professor an der Ben-Gurion-Universität und gehört zum Forschungsteam des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien.

Welchen Preis würde ein Präventivschlag Israel kosten?

Ich gehe davon aus, dass der Preis, den Israel gegebenenfalls bezahlen muss, nicht unerträglich sein wird. Auch die Iraner wissen, dass Israel schmerzhaft zuschlagen kann. Auch für sie lohnt es sich nicht, mit ganzer Gewalt zurückzuschlagen und damit erneut eine schwere israelische Reaktion zu provozieren.

Wie sieht es mit diplomatischen Konsequenzen aus?

Das wird sehr davon abhängen, wie ein Angriff verlaufen würde. Wenn die Operation funktioniert, und es wird dem Atomprojekt deutlicher Schaden zugefügt, wenn der Rückschlag nicht so schlimm ausfällt, dann wird die internationale Gemeinschaft zufrieden sein, auch wenn offiziell die Operation verurteilt werden wird. Es ist klar, dass hier ein gemeinsames Interesse besteht. Europa, Saudi-Arabien, Marokko, Tunesien und Ägypten wollen keinen Atomstaat Iran. Davon abgesehen sind internationale Verurteilungen für Israel nichts Neues.

Ab wie viel Toten wäre ein Rückschlag Irans schlimm?

Ich will dazu keine Stellung beziehen, das ist ein sehr sensibler Punkt und es ist schwer zu sagen, wie viel Tote und Verletzte es geben wird. Verteidigungsminister Ehud Barak selbst hat gestern von ein paar Hundert gesprochen. Die Frage, die sich für uns stellt, ist auch, wie groß der Schaden sein wird, wenn Israel nichts unternimmt. Was passiert, wenn Iran Atomstaat wird, welchen Preis wird Israel dann bezahlen müssen. Es ist ja nicht so, dass wir uns zurücklehnen können und alles wird gut.

Wie viel Zeit bleibt ihrer Meinung nach noch bis zum Präventivschlag Israels?

Sehen Sie, US-Verteidigungsminister Leon Edward Panetta spricht von einem Zeitfenster zwischen April und Juni/Juli. Möglich ist, dass es nach hinten etwas offener ist, aber ich glaube nicht, dass es viel später wird. Was wir jetzt sehen, ist, dass die Sanktionen den Iranern zwar wehtun, sie stören, aber sie führen nicht dazu, dass sie das Atomprogramm einstellen oder auch nur das Tempo der nuklearen Entwicklung verringern. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Jahr tatsächlich kritisch ist.

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