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Israels Krieg in GazaSPD-Fraktion fordert Kurswechsel

Nach dem Appell von 28 Ländern an Israel, den Krieg in Gaza sofort zu beenden, wächst der Druck auf die Bundesregierung. Die scheint uneins zu sein.

Helfen Panzer gegen die Hamas? Israelisches Manöver im Juli in Gaza Foto: Amir Cohen/reuters

Berlin taz | Der internationale Druck auf Israel wächst weiter. Die Au­ßen­mi­nis­te­r*in­nen von mehr als zwei Dutzend Ländern fordern in einer gemeinsamen Erklärung das sofortige Ende des Krieges in Gaza und kritisieren zugleich Israels Umgang mit der humanitären Hilfe für das abgeriegelte Gebiet. Wieder nicht dabei: Johann Wadephul (CDU), der deutsche Außenminister. Das endlich zu ändern, fordern jetzt nicht nur Grüne und Linke, sondern auch die Regierungsfraktion SPD.

Es sei an der Zeit, „dass sich die Bundesregierung den Initia­tiven auf europäischer Ebene anschließt“, schreiben Adis Ahmetović, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, und Rolf Mützenich, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, in einem gemeinsamen Statement. Sie fordern zudem, das Assoziierungsabkommen der EU mit Israel auf Eis zu legen. Stoppen wollen sie auch Exporte von Waffen, die völkerrechtswidrig eingesetzt werden. „Die völkerrechtswidrige Besatzung und die fortgesetzte Missachtung grundlegender Menschenrechte lassen keinen politischen Interpretationsspielraum mehr zu“, schreiben sie. Das Statement liegt der taz vor, die Süddeutsche Zeitung hatte zuerst darüber berichtet.

Fraktionschef Matthias Miersch und Entwicklungshilfeministerin Reem Alabali Radovan (SPD) unterstützen die Forderungen. „Es braucht jetzt – nicht irgendwann – einen sofortigen und nachhaltigen Waffenstillstand“, sagte die Ministerin der Rheinischen Post. Damit spricht sich nicht nur eine die Bundesregierung tragende Fraktion, sondern auch ein erstes Mitglied der Bundesregierung dafür aus, den Druck auf Israel zu erhöhen.

Auf Initiative Großbritanniens haben 28 Länder sowie die EU-Kommissarin für Gleichstellung und Krisenmanagement klare Worte an Israel gerichtet: „Der Krieg in Gaza muss jetzt beendet werden“, heißt es. Und: „Weiteres Blutvergießen dient keinem Zweck.“ Zudem müssten die weiterhin in Gaza festgehaltenen Geiseln sofort freigelassen werden. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Italien, Frankreich, Österreich und Kanada.

Wadephul sorgt sich wieder mal

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Dienstag, zu allen Themen der Erklärung habe der Außenminister am Montag mit seinem israelischen Amtskollegen telefoniert. Er habe seine größte Sorge über die katastrophale humanitäre Lage in Gaza ausgedrückt und die israelische Regierung dringend dazu aufgefordert, die Vereinbarung mit der EU zur Ermöglichung humanitärer Hilfe umzusetzen. Seit Wochen betont die Bundesregierung, Priorität sei, mit der israelischen Regierung in direktem Kontakt zu bleiben und so Einfluss nehmen.

Grüne und Linkspartei forderten am Dienstag ebenfalls, dass Deutschland sich der Erklärung der anderen Staaten anschließt. „Es ist gut und richtig, dass der Außenminister mit seinem israelischen Amtskollegen spricht, aber angesichts der desaströsen humanitären Lage vor Ort müssen den Worten auch Taten folgen“, sagte die grüne Außenpolitikerin Luise Amtsberg der taz.

„Die Bundesregierung muss endlich konkrete Maßnahmen, ergreifen.“ Möglich seien die Aussetzung von Handelspräferenzen oder die Sanktionierung von Siedlungsorganisationen, Ministern oder Unternehmen, die den Siedlungsbau unterstützen und die Anerkennung Palästinas als Staat. „Waffen, die im Gazastreifen oder dem Westjordanland völkerrechtswidrig eingesetzt werden, darf die Bundesregierung nicht nach Israel exportieren“, so Amtsberg weiter.

Dass sich die Bundesregierung nicht einmal dem grundlegenden Appell der anderen Staaten anschließe, ist aus Sicht von Lea Reisner „beschämend“. Die außenpolitische Sprecherin der Linksfraktion sagte der taz: „Als zweitgrößter Waffenlieferant Israels trägt Deutschland eine besondere Verantwortung für das Leid, das mit diesen Waffen verursacht wird“, so Reisner weiter. „Statt klare Konsequenzen zu ziehen und die Exporte zu stoppen, setzt die Bundesregierung auf offensichtlich erfolglose Hinterzimmerdiplomatie und schweigt öffentlich.“

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18 Kommentare

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  • Alles gut, die Hungernden werden täglich weniger: www.der-postillon....sverteilungen.html

  • Ganz nett, aber etwas sehr oder gar zu spät. Ich betrachte mich selbst eher als Mitte und "e weng" links, aber wenn ich die letzten Jahre und Gaza anschaue, hat nur die LINKE halbwegs logische Positionen bezogen, wie auch LFI in Frankreich und in Israel, eigentlich nur Hadash, die Nachfolge der kommunistischen Partei. Mein Gott, wie hat sich das Spektrum verschoben, die SPD, wenn man sich die Äusserungen Schmidts oder gar Brandts zu Menschenrechten und Aussenpolitik anschaut.

    • @Jo Lang:

      Eher Brandt als Schmidt, und auch eher, als Brandt als Vorsitzender von SPD oder Sozialistischer Internationale nicht so in Regierungszwang stand.



      Doch eine international solidarische Linke sollte eine Selbstverständlichkeit sein, wie je auch gegen das Kapital seit jeher nötig.

    • @Jo Lang:

      Nun, spät bedeutet in diesem Fall nicht unbedingt zu spät, wenn sich die SPD wenigstens ab und an mal auf ihre menschenrechtliche Orientierung in der Außenpolitik besinnt. Im Verhältnis zu Israel ist die Notwendigkeit einer Kurskorrektur schliesslich offensichtlich.



      Viel spannender in diesem Zusammenhang ist doch die innenpolitische Frage, wie belastbar die Koalition noch ist, sollte die Union aus falsch verstandener Freundschaft zu Israel bzw. einem fragwürdigen Staatsräson-Verständnis hier nicht auch zu einem Kurswechsel bereit sein. Nach der verpatzten Richterwahl im Bundestag ist da nicht mehr viel Luft nach oben.

  • Bei anderen Ereignissen und Erfordernissen werden gerne Umfragen bemüht, um die Legitimation zu unterstreichen. Es gibt Ausnahmen, wo Volkes Wille nicht zählt, eine entfernte und weniger explosive Analogie: Tempolimit.



    So verliert auch die deutsche Politik schleichend und spürbar im Ansehen der WählerInnen.



    In der Regel verfügt "Otto Normalverbraucher" auch in unserem Staat über ausreichend Gerechtigkeitssinn.

  • Netanjahu hat sämtliche Sympathien für Israel verspielt.



    Das jetzige Vorgehen und der Hunger in Gaza ist durch Nichts zu rechtfertigen.



    Merz und Wadephul haben in diesem Konflikt falsch reagiert und beweisen nur unangebrachte Selbstüberschätzung.



    Es ist gut, dass nun auch Druck von der SPD aufgebaut wird, damit sich Deutschland der internationalen Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe und Hilfslieferungen in den Gazastreifen anschließt.

    • @Philippo1000:

      Das ist völlig richtig beschrieben. Diese Wischi-Waschi Duckmäuserei der Verantwortlichen führt nirgendwo hin.

  • Zumindest in dem Falle ist die Außenpolitik bei der Union offensichtlich schlecht aufgehoben. Danke der SPD, so langsam zur Besinnung zu kommen und an Völkerrecht und Menschenrechte zu erinnern!



    Hamas und Netanyahu gleichermaßen zu verurteilen und beiden das Wasser abgraben. Dabei kann und sollte die Bundesrepublik handeln, für Recht und die Menschen.

  • Auch wenn es ja schön ist wie sich SPD und Grüne jetzt äußern, nur haben sie selber monatelang durch Nichtstun, Relativieren und Entschuldigen geglänzt und auch durch eine von Herrn Scholz immer wieder proklamierte uneingeschränkte Unterstützung Israels. Unser Ex- Kanzler hat ja bis zuletzt nicht mal eingestehen wollen, das Israel Völkerrecht verletzt oder Kriegsverbrechen begeht trotzdem die Beweise während seiner Amtszeit schon eindeutig waren. Auch schön das sie jetzt deutlich sagen können, dass nach dem Gutachten des IGH die Besatzung völkerrechtswidrig ist, während sie auch darüber letztes Jahr fast komplett geschwiegen haben und nur sagten: "wir werden das genau prüfen". Die Ampel hätte auch umfangreiche Sanktionen gegen Siedler und Siedlergruppen veranlassen können, immerhin sind die Siedlungen schon immer völkerrechtswidrig gewesen. Also so nett es ist, dass da jetzt mehr kommt, aber SPD/ Grüne haben sich auch mitschuldig gemacht.



    Und wenn man die Debatte im britischen Parlament verfolgt hat, sind die Mehrheit der MP´s auch nicht zufrieden, da die Erklärung wieder, wie vor 2 Monaten, Konsequenzen nur androht: Worte wie immer, aber keine Taten. Wie hier.

  • Mit Deutschlands besonderer Rolle lässt sich vieles erklären, aber bestimmt nicht das verweigern und schweigen: JETZT! Wer schweigt, toliert es und macht sich mitschuldig.

  • Wadephul, erinnert er sich noch an Biden und Blinken ? Was deren Vorgehen gebracht hatte, trotz theoretisch sehr viel größeren Einfluss ? Irgendwann überzeugen alte Redeelemente nicht mehr.

  • Der Ball liegt bei der Hamas und nicht bei Deutschland.



    Warum lässt die Hamas die verbliebenen Geiseln nicht einfach frei?



    Warum wird die Hamas nicht genauso verurteilt?

    • @Dirk Osygus:

      ein ziemliche whatsaboutism, aber ich bewunderer Ihre Standhaftigkeit, nach so häufigen Gegenargumenten immer denselben Kommentar zu schreiben. Lässt Hamas Verhungern ? Wenn man sich die Politik der Regierung Nethanyahu anschaut, und auch die israelischen Demonstrationen für die Freilassung der Geiseln, die sich wohlgemerkt gegen die israelische Regierung richten, fragt man sich, was Sie von einem Freilassen der Geiseln erhoffen. Jedenfalls interessiert genau das Nethanyahu nicht.

    • @Dirk Osygus:

      Was würde denn passieren wenn die Hamas die restlichen Geiseln freilassen würde? Würde Israel sich einfach aus den besetzten Geieten zurückziehen. Würde Israel einfach Frieden geben? Vielleicht sogar beim Wiederaufbau helfen? Oder doch eher rücksichtslos die restlichen Palästinenser vertreiben und Westbank und Gaza als israelisch deklarieren? Welches Szenario ist wahrscheinlicher?

    • @Dirk Osygus:

      Die Freilassung der Geiseln durch die Hamas beendet den Krieg nicht. Smotrich, Ben Gvir und auch Netanjahu wollen die totale Verteibung der Menschen aus dem Gazastreifen und die fast 100000 Toten sind halt Kollateralschäden. Die braucht man dann ja auch nicht mehr zu verjagen.

    • @Dirk Osygus:

      Liefert Deutschland Waffen an die Hamas? Ihnen fehlt jedes Sachverständnis…

      • @Ibrahimo:

        Deutschland liefert Milliarden Euro an die Palästinenser. Solange noch Geiseln von der Hamas gefangen gehalten werden, sollte DE weder direkt noch über die EU Geld an die Palästinenser geben.

    • @Dirk Osygus:

      Warum zieht sich Israel nicht einfach aus den besetzten Gebieten zurück, was noch länger überfällig ist?



      Bei der Verurteilung der Hamas sind wir uns einig. Bei der Israels ja wohl auch.



      Die Totenzahlen, Rechtsbrüche und Kriegswünsche reichen echt so langsam!