Ist Deutschland zu nett zur Schweiz?: „Eingebildete Kanonenboote“

Wolfgang Schäuble will mehr Tempo in den Verhandlungen mit der Schweiz, ein Schweizer Publizist sieht sein Land zu Unrecht attackiert.

Kanonenboote in Sicht? Bild: AP

BERLIN taz | Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mahnt bei den Verhandlung über ein Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz zur Eile. Ohne das Abkommen würden weiterhin jedes Jahr deutsche Steuerforderungen in großem Umfang verjähren, schreibt Schäuble in einem Gastbeitrag für die sonntaz.

Natürlich habe jeder seine Interessen. „Wir wollen unbedingt unsere berechtigten Steuerinteressen durchgesetzt sehen“, schreibt Schäuble. Unterschiedliche Auffassungen gelte es jedoch im Dialog zu lösen nicht mit Drohgebärden.

Weiter umstritten ist der Ankauf von Daten-CDs durch deutsche Behörden. Der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) befürwortet den Kauf. Der deutsche Rechtsstaat dürfe die CDs verwenden – und müsse es auch, um sein Recht durchzusetzen. Die angekauften CDs würden beweisen, dass in der Schweiz massenhaft Schwarzgeld lagere, auch aus Deutschland.

Es sei ein Geschäftsmodell der Schweiz und der meisten ihrer Banken, solches Geld anzulocken, es vor dem zuständigen Steuerfiskus zu verstecken und sich den so ermöglichten Gewinn mit den Steuerflüchtlingen zu teilen. „Das ist Hehlerei“, schreibt Eichel in seinem Beitrag für die sonntaz.

„Knüppelhart und hässlich“

Der Generalsekretär der FDP, Patrick Döring, widerspricht Eichel. Wenn Deutschland „endlich wieder knüppelhart und hässlich“ sein wolle, dann käme man „als Datendealer gut voran“. Döring fordert, Rot-Grün dürfe den Weg zum Steuerabkommen mit der Schweiz nicht länger verhindern. „Dann bekommen wir Rechtssicherheit und unser Geld zurück, jedenfalls ein paar Milliarden - mehr als nichts“, schreibt Döring in seinem Gastbeitrag für die sonntaz.

Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, sagt Deutschland sei „vor allem zu nett zu den Schweizer Banken“. Diese entwickelten Schwarzgeld-Depots, Steuerhinterziehung und oft auch Geldwäsche zu einem florierenden Geschäftsmodell. Das geplante Steuerabkommen löse die Probleme nicht, sondern verdecke sie: „Das dubiose Bankgeheimnis bleibt bestehen“.

Auch der Schweizer taz-Leser André Grossen kommentiert den Steuerstreit der beiden Länder: „Schweiz-intern ist Steuergerechtigkeit ein Fremdwort“. Vor der Finanzkrise sei das „Bankgeheimnis eine heilige Kuh“ gewesen. Doch auch jetzt versuche man „die größtmöglichen Schlupflöcher offen zu halten“

Die Schweiz: eine „Sehnsuchtsinsel der Freiheit“

Die Schweizer Politikerin Anita Fetz sieht im Steuerabkommen eine erste pragmatische Möglichkeit „dem deutschen Fiskus entzogene Gelder zurück zu erstatten“.

Roger Köppel wiederum, Chefredaktor des Schweizer Magazins Weltwoche, beschreibt die Schweiz als „eine Sehnsuchtsinsel der Freiheit“, die nun von Politikern aus Berlin und Brüssel „mit Geisterkavallerien und eingebildeten Kanonenbooten“ bedroht werde.

Die sonntaz-Frage „Ist Deutschland zu nett zur Schweiz?“ diskutiert außerdem taz.de-Leser Michael Sassnink, ehemaliger Betriebswirt – in der sonntaz vom 21./22. Juli. Die sonntaz gibt es auch im Wochenendabo.

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