Italiens Berlusconi 2.0: Wahlsieger mit fünf Sternchen

Vom „Leck-mich-Tag“ über Internet-Blogs zum 20-Prozent-Erfolg: Wie Beppe Grillo Italiens Politik aufmischt und dabei durchaus an Silvio Berlusconi erinnert.

Pimp up my populist: Beppe Grillo nach der Stimmabgabe. Bild: reuters

ROM taz | Die anderen Parteien mögen unter sich ausmachen, wer nach der Wahl in Italien Gewinner und wer Verlierer ist, wer mit wem die Regierung bildet, doch der wahre Sieger ist: Beppe Grillo. Noch nie war sein Movimento 5 Stelle (M5S, „5-Sterne-Bewegung“) bei nationalen Wahlen angetreten; jetzt aber holte sie aus dem Stand nach den ersten Prognosen etwa 20 Prozent.

Seit 1945 war nur einem vor Grillo eine ähnliche Sensation gelungen: Silvio Berlusconi erreichte 1994 mit seiner aus dem Nichts gegründeten Forza Italia 20 Prozent und wurde sofort Ministerpräsident. Oft wird Grillo denn auch mit Berlusconi verglichen. Der eine ist von Beruf eigentlich Komiker, der andere Medienzar. Berlusconi setzte gegen die traditionellen Parteien vor allem auf das Propagandainstrument Fernsehen, Grillo baute eine Bewegung auf, deren Hauptmedium das Internet ist.

Gemein haben die beiden in den Augen der Kritiker auch den Populismus, die Vereinfachung, den rüden Angriff auf die „Berufspolitiker“. Doch wer Grillo einfach als Schreihals, als „Rattenfänger von Hameln“ einordnet, greift viel zu kurz. Schon als Komiker war der 65-Jährige scharfer Kritiker der Mächtigen, seine Monologe – erst im Fernsehen, später nur noch in Theatern, weil er im TV Auftrittsverbot bekam – kreisten um Korruption, Umweltzerstörung und Globalisierungskritik. 2005 dann wurde Grillo zum Blogger, seine Website www.beppegrillo.it wurde der meistgelesene Blog in ganz Italien – und zum Diskussionsforum Zehntausender Menschen. Erst wollten die, unter Grillos Führung, die offizielle Politik mit Petitionen, mit Gesetzesinitiativen von unten, mit Referenden beeinflussen, ohne Erfolg.

Der Durchbruch in die Politik erfolgte dann im September 2007 mit dem „Vaffa-Day“, dem „Leck-mich-Tag“, als im ganzen Land Zehntausende an Kundgebungen gegen die Korruption in der Politik teilnahmen. Im Jahr 2009 schließlich gründete sich die „5-Sterne-Bewegung“, nach eigener Auskunft eine „Nicht-Organisation“ mit „Nicht-Statut“, deren Sitz das Internet ist.

Die tiefe Krise des Landes, der tiefsitzende Verdruss über die alteingesessenen Parteien besorgten den Rest. Schon in den Kommunal- und Regionalwahlen der letzten zwei Jahre eilte M5S von einem Erfolg zum anderen. Jetzt zieht die Bewegung mit starken Fraktionen in die beiden Kammern des Parlaments ein. Nur einer wird nicht dabei sein: Beppe Grillo. Er ist zwar Kopf der Bewegung, trat aber selbst nicht an – weil M5S nur Kandidaten aufstellt, die nicht vorbestraft sind. Grillo jedoch war vor Jahren wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden, weil er einen Autounfall verursacht hatte, bei dem drei Personen umkamen. Doch auch von außen wird er der unumstrittene Anführer seiner Bewegung im Parlament bleiben.

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