Ivorische Sängerin über ihr Herkunftsland: „Das Wichtigste ist Bildung“

Die ivorische Musikerin Dobet Gnahoré spricht über kostenlosen Schulbesuch, die Gleichstellung der Frau und ihr neues Album „Miziki“.

Eine Frau mit langen schwarzen Zöpfchen in einem weißen Kleidungsstück bewegt sich tanzend vor einem dunklen Hintergrund

In vielen Welten zuhause: Dobet Gnahoré Foto: Thomas Skiffington

taz: Dobet Gnahoré, wir sitzen in Abidjan mit Blick auf die Lagune. Wenn Sie sich umsehen: Was ist der größte Unterschied zu ihrer Wahlheimat Marseille?

Dobet Gnahoré: Hier in Abi­djan dauert einfach alles länger, bis man es organisiert bekommt. Ich sollte auch sagen, dass ich inzwischen aus Marseille fortgezogen bin, ich lebe jetzt in den Ardennen in Nordfrankreich. In Abidjan habe ich viel von meinen Künstlerkollegen gelernt, das sollte ich nicht verschweigen, aber als ich nach Marseille gegangen bin, hat das meine Musik auf ein neues Level gebracht. Mein aktuelles Album „Miziki“ ist teilweise in Marseille entstanden.

Ihr Vater Boni spielt mit Ihnen als Drummer in der Band. Wenn ich mit meinem Vater in einer Band spielen würde, gäbe das Zoff. Und bei Ihnen?

Nur weil Boni mein Vater ist, heißt das nicht, dass ich nichts von ihm lernen könnte. Und klar, obwohl er mir konstant etwas vermittelt, haben wir unterschiedliche Ansichten. Ich möchte gerne Haltung bewahren, aber manchmal kriegen wir uns wegen der Arrangements in die Haare. Aber ich bin froh, dass er in meiner Band spielt. Genau wie meine Mutter ist er auch ein Held für mich.

Einen Teil Ihrer Kindheit haben Sie in einer Künstlerkolonie in Kamerun verbracht – erzählen Sie uns davon?

Das Dorf heißt Ki-Yi M’bock und wurde 1985 von Werewere Liking gegründet, einer kamerunischen Schriftstellerin und Malerin. Sie ist eine toughe Lady und hat viel dafür getan, dass sie selbstbestimmt leben kann. Eine ihrer Ideen war das pan­afri­ka­nische Dorf Ki-Yi M’bock. Sein Name bedeutet so viel wie „die Weisheit des Universums“. Es ist ein freigeistiger Ort, wo junge Talente sich erproben, lernen und als Tänzer, Sänger oder Musiker ausgebildet werden. Alles funktioniert ohne staatliche Förderung und Almosen. Die Menschen leben von Konzerten, die sie selbst ausrichten. Mir kam es vor wie eine Großfamilie.

Ein zentraler Song auf Ihrem Album „Miziki“ heißt „Éducation“. Im Album-Booklet fordern Sie auf Französisch und Englisch, dass schulische Bildung kostenlos sein muss. Warum?

Ich sehe mich nicht als politische Künstlerin und ich stelle auch keine politischen Forderungen. Ich bin eine Musikerin. Trotzdem singe ich über Pro­bleme, wenn mir was aufstößt. In der Elfenbeinküste ist Armut nicht zu übersehen. Es fehlt an schulischen Institutionen, an der Gleichstellung der Frau. Ich sehe Familien, in denen die Mütter arbeiten und für die ganze Familie das Geld verdienen. Es ist nicht so krass wie in Benin, aber schlechter als in Kamerun, wo Schulpflicht für Kinder bis 15 gilt und die Grundschule nichts kostet. In Elfenbeinküste kostet der Schulbesuch Geld. Viele Betuchte schicken ihre Kinder gleich auf Privatschulen, wo sie Französisch lernen. Aber ich kenne auch Leute, die ihre Kinder gar nicht in die Schule schicken. Wir müssen mehr in die Bildung investieren.

Mir gefällt an „Miziki“ die unentschiedene Atmosphäre der Musik: Einerseits überträgt sich die Relaxtheit, aber Ihre Songs werden von einem unerbittlichen Beat angeschoben.

Ich mag es, wenn sich durch meine Musik körperliche Energie überträgt und ich habe auch nichts gegen Emotionen. Es gibt aggressive Tendenzen in meiner Persönlichkeit, das schlägt sich wohl auch in meinen Songs nieder. Ich breche softere Melodien gern mit harten Beats.

Dobet Gnahoré: "Miziki" (LACafe/Wagram/Indigo)

Live: 23. Juni "Afrikanisches Kulturfest" Frankfurt am Main, 30. Juni "Stattfest" Freiburg im Breisgau

Auffällig ist Ihre sonore Stimme. Wer hat Ihren Gesang inspiriert?

Allgemein ist das der schwierigste Prozess: herauszufinden, wie meine Stimme am besten klingt. Manchmal funktioniert mein Gesang nur, wenn er durch Gefühle gepolstert wird. Was Inspiration angeht: Ich liebe Jazz und Pop und ich bewundere Ella Fitzgerald und Björk. Sie haben mir dabei geholfen, meine Stimme zu finden.

Sie sind hier in Abidjan, weil Sie beim Festival Femua gastieren. Sein Motto ist „immigra­tion clandestine“ – „illegale Auswanderung“. Was sagt Ihnen das?

Es ist ein elementares Thema, weil es uns alle betrifft, die ganze Jugend Afrikas. Die Staaten müssen die Jugend davon überzeugen, hierzubleiben. Das sagt sich so leicht – in der Elfenbeinküste denken viele, anderswo sei das Leben besser. Es gibt so viel Irrglauben. Deshalb glaube ich, das wichtigste ist die Bildung. Und der Staat muss viel offener mit dem Problem der illegalen Auswanderung umgehen. Viele Jugendliche haben einen Job – gut, sie verdienen wenig, aber manche von ihnen werden auch von ihren Familien nach Europa geschickt. Das wenige, das die Familien haben, fließt dann in die Flucht. Ich sage Ihnen was: Zum Teil gibt es in Abidjan bessere Wohnmöglichkeiten und Unterkünfte als in Europa. Das wird nichts an den Träumen der Kids ändern. Aber ich sage: Leute, träumt eure Träume hier in Abidjan!

Was bedeutet Ihnen Abidjan und die Elfenbeinküste?

Ich bin ja ständig hier und reise die ganze Zeit zwischen Frankreich und der Elfenbeinküste hin und her. Ich habe hier viele Freunde, und sie helfen mir, weltoffen zu bleiben. Abidjan ist ein Zuhause, weil ich hier viele Kontakte im Zusammenhang mit der Musik habe.

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