"Jahrhundertchance" verpasst: Umweltgesetz kommt kapitelweise

Die Koalition will ein bundesweites Umweltgesetz an die Stelle des gescheiterten Umweltgesetzbuches setzen. Ökoverbände kritisieren die Einigung auf dem "kleinsten gemeinsamen Nenner".

Demonstranten gegen Waldrodung gibt es wohl auch noch in Zukunft, jetzt wo das Umweltgesetzbuch gescheitert ist. Bild: ap

Das Umweltgesetzbuch ist tot, nun lebe das Einzelgesetz. Am Mittwochabend hat sich der Koalitionsausschuss von Union und SPD auf ein bundesweit geltendes Naturschutz-, Wasser- und Strahlenschutzrecht geeinigt. Nächsten Mittwoch will das Umweltministerium einen entsprechenden Gesetzesentwurf ins Kabinett einbringen, der dann noch vor der Sommerpause von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden könnte.

"Wir erwarten, dass das jetzt ganz schnell das parlamentarische Verfahren durchläuft", sagt SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. Weitere Abstriche am Schutzniveau würden von den Sozialdemokraten aber nicht mehr hingenommen. Die "integrierte Vorhabengenehmigung", mit der alle umweltrechtlichen Verfahren eines Unternehmens in einem einzigen Verfahren zusammengefasst worden wären, sei am "Geltungsbedürfnis der CSU" gescheitert, so Kelber. Bayerns Umweltminister Markus Söder zeigte sich zufrieden mit der Einigung. Die CSU habe immer betont, dass sie einheitliche Umweltstandards wolle, aber keine überbordende Bürokratie. "Deshalb haben wir vier der fünf Bücher im Umweltgesetzbuch mitgetragen und nur die integrierte Vorhabengenehmigung abgelehnt", so Söder.

"Das ist ein unglaubliches Reformversagen der Politik", urteilt Helmut Röscheisen, Generalsekretär des Deutschen Natuschutzrings. Es sei viel zu viel an Vorarbeit gelaufen, als dass die Einzelgesetze jetzt noch zufriedenstellend sein könnten. "Das UGB wäre ein Einstieg in ein wirksames Umweltrecht gewesen", sagt Röscheisen, "den bekommen wir jetzt nicht."

Magnus Herrmann vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) sieht damit eine "Jahrhundertchance" verpasst. Die SPD sei der Union weit entgegengekommen. So seien unter anderem keine sinnvollen Regelungen der "guten fachlichen Praxis" gefunden worden, die zum Beispiel Landwirten konkrete Handlungsmöglichkeiten zum Boden- oder Artenschutz aufgezeigt hätten. Auch beim Schutz von Biotopen oder Gewässerrandstreifen habe man sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt.

Die Grünen-nahe Wirtschaftsvereinigung "Unternehmensgrün" kritisierte, dass besonders kleine und mittelständische Unternehmen von komplizierten Regelungen betroffen seien. "Sie hätten von einer weitergehenden Vereinheitlichung" des Gesetzes profitiert, so Geschäftsführerin Nina Scheer. Denn kleinere Unternehmen hätten etwa keine eigene Rechtsabteilung.

Nicht durchsetzen konnte sich die CSU mit dem Versuch, mit Zugeständnissen im Bereich des Umweltrechts generelle Steuererleichterungen für Landwirte zu erwirken.

Sollte sich die große Koalition wider Erwarten nicht auf die Gesetze einigen, können die Bundesländer ab dem nächsten Jahr nach Vorgaben der ersten Föderalismusreform die Naturschutzgesetzgebung selber in die Hand nehmen. Dann droht laut den Umweltverbänden zwischen den Ländern ein Wettbewerb um die niedrigsten Standards.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.