Jan Korte über Kommunismus-Debatte: "Der Zweck heiligt nie die Mittel"

Der Ostpragmatiker Jan Korte fordert, dass sich die Linkspartei weiter ihrer Geschichte stellen muss. Zudem soll sie sich in ihrem Grundsatzprogramm zum Antistalinismus bekennen.

Schreckgespenster für Antikommunisten: Lenin und die Sowjetflagge. Bild: Pilar – Lizenz: CC-BY-SA

taz: Herr Korte, hat die Linkspartei ein Kommunismus-Problem?

Jan Korte: Nein. Wir führen eine Debatte.

Das ist etwas untertrieben …

Es ist auch 2011 noch etwas anderes in Deutschland, über Kommunismus zu reden, als dies in Italien oder Frankreich zu tun, wo das entspannter geht. Es gab in Westdeutschland einen Antikommunismus der Konservativen, der eine Ideologie war, um die Ideen von mehr Gleichheit zu bekämpfen.

Das heißt: Antikommunismus ist illegitim?

Ich würde sagen: Der westdeutsche Antikommunismus hatte einen sehr realen Anknüpfungspunkt - nämlich die DDR. Die besten Argumente für die Antikommunisten saßen im ZK der SED. Ich glaube, dass wir als Linke besser den Begriff Antistalinismus benutzen sollten, um zu zeigen, was wir aus der Geschichte gelernt haben.

Nämlich?

Dass Denken in Freund-Feind-Kategorien falsch ist. Dass Weltbeglückungsideologien und jede Form von autoritärem Sozialismus passé sind. Das sind Relikte der Vergangenheit, so wie der Kommunismus auch, nicht aber der demokratische Sozialismus.

JAN KORTE 33, ist seit 2005 für die Linkspartei im Bundestag. Im Jahr 2009 zog er via Direktmandat (Wahlkreis Anhalt, Sachsen-Anhalt) in den Bundestag ein. Korte ist Experte für Innenpolitik und Datenschutz und gehört der Reformströmung "Forum demokratischer Sozialismus" (fds) an.

Ist das wirklich Vergangenheit? Gibt es nicht einen Teil der Linkspartei im Dunstkreis der "jungen Welt", der noch immer antidemokratisch ist ?

Antidemokraten haben in der Partei Die Linke keinen Platz. Es muss allen klar sein, dass es nie wieder Sozialismus ohne demokratischen Rechtsstaat geben wird. Das ist die Lehre aus der Geschichte. Der Zweck heiligt nie die Mittel. Punkt.

Die Linksparteipolitikerin Ulla Jelpke hat mit der Ex-RAFlerin Inge Viett darüber geplaudert, ob man Bundeswehr-Lkw abfackeln soll. Ist das okay?

Die Linkspartei lehnt Gewalt grundsätzlich ab.

Was sagt das über die Linke?

Nichts. Wir sind eine Partei, die sich intensiv mit ihrer Geschichte befasst. Wir sollten aus dieser Debatte eine Schlussfolgerung ziehen und die Absage an den Stalinismus als System in die Präambel unseres Grundsatzprogramms aufnehmen.

Reicht Antistalinismus? Gibt es, angesichts der Zwangsvereinigung zur SED, keinen legitimen SPD-Antikommunismus?

Da gibt es verständlicherweise Vorbehalte. Ich beharre darauf, dass wir uns weiter mit unserer Geschichte konfrontieren müssen. Und zwar um unserer selbst willen, und nicht um es jemand recht zu machen.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt will die Linkspartei überall vom Verfassungsschutz beobachten lassen und am liebsten verbieten. Hat das Auswirkungen?

Das zeigt erst mal, dass Herr Dobrindt nicht ganz rund läuft. Zweitens, dass die Konservativen noch immer meinen, in politischen Konflikten mit Einschüchterungen arbeiten zu können. Das hat in einer Demokratie nichts zu suchen. Wir kommen ja auch nicht auf die Idee, wo wir regieren etwa die Berliner CDU vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, weil dort obskure Leute rumlaufen.

Ist das Verbot eine Gefahr?

Ach, das ist so durchsichtig, dass es sich selbst desavouiert. Die Union sollte sich lieber mit ihrer Geschichte befassen. Wir haben die Fälle Eichmann und Barbie, NS-Massenmörder, die im CDU-Staat der 50er Jahre von Behörden gedeckt wurden. Ich warte darauf, dass die Union oder die Adenauer-Stiftung den Mumm hat, dazu ein Symposion zu veranstalten. Anstelle dessen werden die BND-Akten unter Verschluss gehalten. Die Kritik der Union an der Geschichtsbewältigung der Linkspartei ist pharisäerhaft.

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