Japan nach Fukushima: 23 Stadien voll Atommüll

Japans Regierung will offiziell mit der Dekontaminierung in der beginnen. Die Kosten für das Umweltministerium: etwa 4,3 Milliarden Euro. Ob das reicht, bleibt ungewiss.

Gefährliche Arbeit: Ein Kindergarten in Minami-Soma (20 Km von Fukushima entfernt) wird dekontaminiert. Bild: dapd

TOKIO taz | Hochdruckreiniger spritzen Wände sauber, Maschinen kratzen die oberste Schicht von der Asphaltdecke. Mutterboden wird mühsam mit der Schaufel abgetragen, Rasen und Laub eingesammelt - in den letzten Monaten haben die Experten des Vereins "Radiation Safety Forum" (RSF) in der Provinz Fukushima vorgemacht, wie aufwendig die Dekontaminierung von radioaktiven Stoffen ist. "Man muss die strahlenden Isotope physisch entfernen und das Material sicher lagern", erklärt Vereinsgründer Jun Ichiro Tada.

Die Regierung hat jetzt den offiziellen Startschuss für die Dekontaminierungen gegeben. Zudem hob sie die Evakuierungsbereitschaft für fünf Gemeinden mit 59.000 Bewohnern auf, die 20 und 30 Kilometer von den Atomruinen entfernt liegen. Die dortige Strahlung liege unter der Belastungsgrenze von 20 Millisievert im Jahr. Das hätten Messungen im Juli ergeben.

Schulen und Krankenhäuser dieser Zone sollen wieder öffnen. Das Umweltministerium übernimmt die Säuberungskosten für alle verstrahlten Orte. Kostenpunkt: 4,3 Milliarden Euro. Gereinigt werden Plätze mit einer Strahlung von mehr als 5 Millisievert pro Jahr oder 1 Mikrosievert pro Stunde. Darunter sei der Effekt nicht groß genug, erklärte ein Sprecher. Eine Herkulesaufgabe: Die höher verstrahlte Fläche ist dreimal so groß wie Tokio.

Durch die Dekontaminierung würden 29 Millionen Kubikmeter verstrahlter Boden anfallen -so viel wie 23 Baseballstadien voll. Dabei will man in den Waldgebieten, die 70 Prozent der Fläche ausmachen, nur das Laub entfernen und die Bäume beschneiden. Im restlichen Gebiet würden die oberen fünf Zentimeter Bodenschicht mit dem meisten Cäsium entfernt. In der Stadt Fukushima werden ab Oktober 110.000 Häuser, die in Hotspots liegen oder von Kindern benutzt und bewohnt werden, professionell dekontaminiert. Weniger verstrahlte Stellen sollen die Bürger säubern.

Planlose Entsorgung

Über die Entsorgung gibt es keine Pläne: Die Regierung in Tokio drängt die lokalen Behörden dazu, das Material so lange auf Halden zu sammeln, bis ein Endlager gefunden ist. Die Dekontaminierungen sollen die über 100.000 Atom-Evakuierten beruhigen und zur Rückkehr veranlassen. "Wir müssen der Strahlung den Krieg erklären", meint RSF-Experte Tada.

Doch das verlorene Gefühl der Sicherheit lässt sich nicht so leicht wiederherstellen. Die Bürger von Hirono wollen etwa erst Ende 2012 zurückkehren. Bürgermeister Motohoshi Yamada verlangt von der Regierung die Ausgabe von Dosimetern. Am Freitag sorgte eine neue Meldung für Unruhe: In den Ortschaften Namie und Futaba nahe an den AKWs sowie in Iitate, knapp 40 Kilometer entfernt, wurde Plutonium im Boden nachgewiesen, das laut Wissenschaftsministerium aus den Reaktoren stammt.

Schon im Juni und Juli wurden an 33 von 2.200 Stellen im 20-km-Umkreis der AKWs über 1,48 Millionen Becquerel pro Quadratmeter gemessen. Das war in Tschernobyl die Grenze für Zwangsevakuierungen. Weitere 132 Stellen lagen über 550.000 Becquerel, der Grenzwert für ein Verbot von Landwirtschaft. Auf der Basis dieser Daten geht der Experte Toshimitsu Homma vom Atomenergie-Forschungsinstitut davon aus, dass 132 Quadratkilometer um Fukushima unbewohnbar bleiben.

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