Japanischer Animationsfilm „Belle“: J-Pop rettet die Welt

„Belle“ inszeniert ein soziales Netzwerk als sprudelnde Fantasiewelt. Leider kommen die Stärken des Films in deutscher Fassung nicht zur Geltung.

Eine Mangafrau mit vielen Glitzersteinen um den Hals und die Ohren schwebt inmitten von Sprechblasen. In einer steht: "I didn't come here to see you"

Reale und virtuelle Welt werden in „Belle“ möglichst extreme Weise kontrastiert Foto: Belle PressefotoKoch Films

Das Internet kann jeden zum Star machen, aber ebenso schnell Karrieren zerstören: Gerät man in einen Shitstorm, ist es mit dem Vergnügen in sozialen Medien schnell vorbei. In einer Welt, in der ein soziales Netzwerk mächtiger und in gewisser Weise authentischer ist als alle Facebooks, Second Lifes und Tiktoks zusammen, spielt „Belle“, ein Animationsfilm des japanischen Regisseurs Mamoru Hosoda.

„Belle“: Regie: Mamoru Hosoda. Japan 2021, 127 Min.

„U“ heißt hier das soziale Netzwerk, englisch lautmalerisch für „you“, also „du“. Fünf Milliarden Nutzer hat dieses Netzwerk, das weit mehr ist als eine Plattform, auf der Nutzer sich hinter Avataren verstecken und sich auf jegliche erdenkliche Weise präsentieren und profilieren können. Eine „Bodysharing“ genannte Technologie verknüpft die physischen und vor allem psychischen Eigenschaften der echten Nutzer mit ihren virtuellen Doppelgängern, doch nicht nur das: Die Technik bringt die verborgenen Talente der Nutzer zum Vorschein.

Angesichts dieser Beschreibung, die sich wie eine Mischung aus „The Matrix“, „Ghost in the Shell“ und ähnlichen futuristischen Szenarien liest, mag es überraschen, dass weite Teile von „Belle“ in einer typischen, bukolischen, weich gezeichneten japanischen Kleinstadt spielen. Hier lebt Suzu, ein 17-jähriges Mädchen, das als Kind die Mutter verloren hat und in der Schule eine Außenseiterin ist. So verschüchtert agiert Suzu, dass nur ihrer besten Freundin, der Computerexpertin Hiroka, bekannt ist, wie gut Suzu singen kann.

Suzu verwandelt sich in „Belle“

Erst als Suzu sich in der Welt von „U“ in „Belle“ verwandelt kommt, ihr Talent zur Geltung, gefolgt vom scheinbar wichtigsten Wert unserer Zeit: Likes und Followern. Doch wie das in den sozialen Netzwerken üblich ist, ruft Erfolg schnell Neider auf den Plan. Ein Avatar namens Beast stört einen großen Auftritt von Belle. Doch im Gegensatz zu ihren Fans, die das Biest beschimpfen und entlarven wollen, zeigt sich Belle fasziniert von dem Wesen.

In einem fantastischen Schloss in der virtuellen Welt entwickelt sich nun eine Variante der klassischen Schöne-und-das-Biest-Geschichte, die ihre Auflösung jedoch bezeichnenderweise nicht in der bunten, überbordenden Welt des sozialen Netzwerks findet, sondern in der viel profaneren, dafür authentischen realen Welt.

Ein wenig schlicht mag sich diese Moral anhören, passt damit aber ganz gut in einen sehr japanischen Film, der mit ebenso großen wie einfachen Gefühlen arbeitet, um seine Variante einer klassischen Coming-of-Age-Geschichte zu erzählen. Mamoru Hosoda verknüpft sie mit einem besonderen stilistischen Dreh, der als „J-Pop rettet die Welt“ bezeichnet werden könnte. Und der es in diesem Fall ganz besonders wichtig macht, nach Möglichkeit die Originalversion von „Belle“ anzuschauen.

Weichgespülte Powerballaden

Denn während im Original zwar sehr eigenwillige, aber durch und durch authentische J-Pop-Songs gesungen werden, die von der Band „millennium parade“ stammen, hat sich der deutsche Verleih bei der Synchronfassung dazu entschieden, die Moderatorin und Sängerin Lara Trautmann nicht nur die Dialoge sprechen zu lassen, sondern auch die Songs auf Deutsch zu singen. Was dazu führt, dass die originalen Songs durch weichgespülte Powerballaden ersetzt wurden, die Poesiealbumtexte à la „Mein Herz ist so schwer“ oder „Ich denke nur an dich“ enthalten.

Eine junge Mangafrau schwebt inmitten einer rosa wolke, die auch ihr Kleid sein könnte

Reine Farbenpracht: Belle ist der Star des Netzwerks „U“ Foto: Koch Films

Schade, dass eine der größten Stärken des Films in der deutschen Fassung dadurch kaum zur Geltung kommt. Denn gerade die druckvollen J-Pop-Songs passen mit ihren treibenden Beats und der hochgetunten Gesangstimme perfekt zu den visuell sprudelnden Fantasiewelten, mit denen Mamoru Hosoda die breite Leinwand füllt.

Ähnlich wie in Spielbergs „Ready Player One“ werden auch in „Belle“ reale und virtuelle Welt auf möglichst extreme Weise kontrastiert. Mit dem großen Unterschied, dass sich hier am Ende erst Erfolge in der Realität als wirklich wichtig erweisen und nicht ihre Illusion durch Likes und Follower in den sozialen Medien.

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