Jeanswerbung mit Sydney Sweeney: White Supremacy Sells
In einer Werbekampagne von American Eagle sind rassistische Codes versteckt. Der darauf folgende Shitstorm mag laut sein – nützen tut er allein nichts.

Z uerst die schlechte Nachricht: Sex sells. Dann die noch Schlechtere: White Supremacy sells better. Und weil aller guten Dinge drei sind, eine noch: Diversity doesn’t sell.
Diese bittere Wahrheit offenbart die neue Werbekampagne der US-Jeansmarke American Eagle mit der Schauspielerin Sydney Sweeney: „Sydney Sweeney Has Great Jeans“ (great jeans = great genes, also Gene, kreatives Wortspiel, haha, verstehste?).
Darin wird der 90-60-90-Körper des „Euphoria“-Stars halbnackt von unten bis oben gefilmt. Aus dem Off erklärt ihre zuckersüße Stimme: „Gene werden von den Eltern an die Nachkommen weitergegeben und bestimmen oft Eigenschaften wie Haarfarbe, Persönlichkeit und Augenfarbe. Meine Jeans sind blau.“ In einem weiteren Clip bleibt die Kamera an ihrem prallgefüllten Dekolleté hängen, bis sie augenzwinkernd und mit Schlafzimmerblick über ihre eigene Sexualisierung schmunzelnd sagt: „Hey! Meine Augen sind hier oben!“.
Die Kampagne für Frauenjeans, die sich unverhohlen ausschließlich an den male gaze richtet, steht sinnbildlich dafür, dass die Illusionen des entsexualisierten weiblichen Körpers und der vermeintlichen „Bodypositivity“-Ära beendet sind.
CEO finanzierte Trumps Wahhlkampf
Doch nicht nur Sexismus wird hier verkauft. Indem American Eagle eine weiße Schauspielerin mit blauen Augen, blondem Haar und normschönem Körper zur Verkörperung „guter Gene“ stilisiert, wird ein Schönheitsideal gefeiert, das in rassistischen und eugenischen Erzählungen wurzelt: Weiße Genetik ist überlegene Genetik.
In den sozialen Medien werden Sweeney und American Eagle „faschistische-“ und „Nazi-Propaganda“ vorgeworfen. Die Ästhetik erinnere an Nazi-Ideale vom „gesunden Volkskörper“. Andere Nutzer*innen hingegen halten die Kritik für „übertrieben“ oder „absurd“. Schön wär’s.
Doch die Kampagne kommt nicht von ungefähr: American Eagle-CEO Jay Schottenstein finanzierte verschiedenen Medienberichten zufolge sowohl Donald Trumps als auch Benjamin Netanjahus Wahlkampf. Sweeneys Eltern gelten als Trump-Unterstützer*innen; von Sweeney selbst kursieren im Netz Fotos auf Familienfeiern, wo MAGA-Caps zu sehen sind. In der Vergangenheit hat sie sich vom Vorwurf, ebenfalls Trump-Anhängerin zu sein, distanziert.
Die Codes in der American-Eagle-Kampagne stößt nicht nur auf Kritik: Rechte reposten das Video begeistert auf Tiktok und X mit Kommentaren wie „We are so back!“
Profit über Integrität
Die Abkehr von Diversität ist kein Zufall. Noch vor wenigen Jahren setzte American Eagle auf Vielfalt, warb mit People of Color, „Plus-Size“-Models und Körpern mit Behinderung – und musste dafür am Markt Verluste hinnehmen. Die Aktie von American Eagle verlor seit 2021 zwei Drittel ihres Wertes, zuletzt dümpelte sie lange bei nur noch acht Euro herum. Die Rückkehr zum normschönen, weißen Ideal à la Sweeney hingegen wurde vom Markt prompt belohnt: Die Aktie schoss nachbörslich um 22 Prozent in die Höhe.
Unternehmen, die ihr Profitstreben über Integrität stellen, hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben. Genauso wird es weiterhin Promi-Girls geben, die als Aushängeschild dafür herhalten. Von ihnen muss jedoch Verantwortung eingefordert werden.

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Dass Stars, wie Sweeney, die mit einem geschätzten Nettovermögen von 40 Millionen US-Dollar bestens abgesichert sind, gerade in einer Zeit, in der rechte Parteien, und mit ihnen Rassismus und Misogynie weltweit erstarken, freiwillig Teil dieser reaktionären Symbolik werden, ist nicht nur fahrlässig, sondern unverantwortlich und gefährlich.
Doch dass Stars und Firmen Verantwortung übernehmen, erreicht man nicht durch Shitstorms. Wenn sich eine progressive linke Bubble über diese rassistischen Überlegenheitsfantasien empört, mit der Moralkeule schwingt, Sweeney und American Eagle cancelt, ist nur wenig gewonnen. Vielmehr spielt das den Rechten in die Karten.
Shitstorm reicht nicht
Was es braucht, ist eine Debatte, die konstruktiv und nachhaltig geführt wird. Denn das eigentliche Problem ist nicht eine halbnackte Frau in Jeans und ihre eugenischen Werbebotschaften – sondern ein politisches Klima, in dem rechte Ästhetik mit Augenzwinkern verkauft und belohnt wird.
Statt den nächsten Empörungshype zu bedienen, braucht es medienkritische Aufklärung darüber, wie sich rassistische und sexistische Codes in unseren Alltag einschleichen, sowie mehr Sichtbarkeit für unterrepräsentierte feministische und intersektionale Perspektiven.
Ein Shitstorm kann Aufmerksamkeit für diese Probleme schaffen – aber er bremst keinen Rechtsruck.
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