Jenseits dieser Welt: Ein Mond für die Begüterten

Der Bremer Satelliten-Konzern OHB startet Mondmission in memoriam von Gründer Manfred Fuchs - und zur Promotion seiner Lieblings-Geschäftsidee.

Bremisch: Apollo-11-Astronaut Edwin Aldrin hisst 1969 die rot-weiß gestreifte Flagge. Bild: dpa

BREMEN taz | Mit einer unbemannten Mondmission erinnert das Bremer Familienunternehmen OHB, Europas größter privater Satellitenbauer, an seinen Ende April im Alter von 75 Jahren verstorbenen Gründer Manfred Fuchs. Die Kosten des Projekts, die Rede ist von 400.000 Euro, trägt ganz allein OHB, erfuhr die taz von Jochen Harms, dem Geschäftsführer der im Konzern für die Mondangelegenheiten zuständigen Tochter LuxSpace. „Andere Partner bringen kostenlos ihr Know-how ein.“

Starten soll die Mission bereits am 23. Oktober von China aus. Der Satellit, der während seiner Mondumrundung Manfred-Fuchs-Gedenkbotschaften als Morsecode an die Erde funken wird, ist gleichsam beigeladen auf einer Trägerrakete der in Erinnerung an Mao Zedong „Chang zheng“, also Langer Marsch, benannten Baureihe. „Er sitzt gleichsam auf ihrer Oberstufe und bleibt auch da“, erläutert OHB-Sprecher Martin Stade.

Die Flugdauer ist auf 190 Stunden berechnet, sodass der Scheitelpunkt am 26. Oktober, auf den Tag genau ein halbes Jahr nach Fuchs Tod erreicht wird. „Wir haben Amateurfunker aus aller Welt dazu aufgerufen, die Nachrichten wieder zurück an LuxSpace zu melden“, so Stade.

Auf diese Weise lasse sich zugleich feststellen, ob sie auch wirklich angekommen seien. „Wir kennen die hier selbst auch nicht“, so der Sprecher. Es handele sich um Botschaften von Freunden, Angehörigen oder mit OHB verbundener Unternehmen. Ihr Umfang sei auf 13 Zeichen limitiert, „also deutlich rigider als Twitter“, wobei es allerdings möglich gewesen sei, verbundene Botschaften mit auf die Reise zu geben, in einem Fall solle es sich sogar um ein Gedicht handeln.

Das Projekt ist nicht mit konkreten anderen Vorhaben des Konzerns verbunden: Der war immer Ziel der Kritik von Menschenrechtsgruppen und Flüchtlings-AktivistInnen, weil die Daten seiner satellitengestützten Aufklärungssysteme – wie etwa der SAR-Lupe – von der europäischen Grenzschutzagentur Frontex zum frühzeitigen Aufspüren und Zurückdrängen afrikanischer Flüchtlinge auf dem Mittelmeer genutzt werden.

Zugleich ist es fast beruhigend, dass die OHB-Mondmission, die nach Konzernangaben als erste private Mondmission der Geschichte gelten muss, auch einen geschäftsstrategischen Hintersinn hat: Ein fliegendes, temporäres Scheingrab würde zwar ein neues Kapitel in der Geschichte des Todes aufschlagen. Doch es könnte zugleich als bedrückendes Symbol der sozialen Spreizung Bremens gelesen werden, dem Bundesland mit dem höchsten Anteil von Armut bedrohter Kinder – und der Stadt mit der angeblich höchsten Millionärsdichte in Deutschland.

Neben dem Gedenken an Professor Fuchs und der Durchführung von kleineren wissenschaftlichen Experimenten, die mit an Bord sind, „wollen wir auch wieder Aufmerksamkeit auf den Mond richten“, informiert LuxSpace-CEO Harms über den Marketing-Aspekt der Aktion.

Tatsächlich hatte Fuchs auch aus strategischen Gründen seit mindestens einem Jahrzehnt massiv für die Idee einer bemannten europäischen Mondmission geworben. Von der versprach er sich neue Möglichkeiten der Energiegewinnung, astrophysikalische Einsichten und funktechnische Fortschritte. „Beim Mond nicht dabei zu sein, ist gefährlich“, hatte er im Jahr 2005 in einem Interview gewarnt. „Es wäre doch schön, wenn sich aus unserer Aktion ein Projekt im Sinne des Firmengründers ergäbe“, sagt OHB-Sprecher Stade.

Das wäre in der Tat ein Coup. Fuchsens Mond-Gedanken nämlich blieben Träume: Zwar schafften sie’s ins „Raumfahrtprogramm der CDU-Deutschland“, aber keine der Regierungen unter Führung von Angela Merkel verfolgte sie näher. Spätestens mit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrisen erlahmte auch das Interesse der USA, erneut den Erdtrabanten anzusteuern, mittlerweile geht der Mond wieder ziemlich stille durch die Abendwolken hin: Gerade die extrem hochpreisige und von der öffentlichen Hand als Auftraggeber fast vollständig abhängige Astro-Branche hat unter einer am Sparen ausgerichteten Haushaltspolitik schlechte Karten.

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