„Jimmy’s Hall“ von Ken Loach: Religiöser Fanatismus in Irland

Im Mittelpunkt von Loachs neuem Film „Jimmy’s Hall“ steht ein Gemeindesaal. Dort treffen im Irland der 30er Jahre Lebenslust und Katholizismus aufeinander.

Braun in Irland: das Filmplakat von „Jimmy's Hall“. Bild: Verleih

Man kann diesen Film zu kostümlastig, zu holzschnittartig und vielleicht auch zu konventionell finden. Man kann aber auch einfach den Hut vor dem britischen Regisseur Ken Loach ziehen und feststellen, dass er seine Kamera stets mitten im Geschehen aufstellt. Dieser Regisseur stattet dem Leben seiner Helden und Heldinnen keinen Besuch ab, er filmt es aus seinem Zentrum heraus. Und dieses Zentrum ist diesmal: Jimmy’s Hall, ein Holzhaus im erzkonservativen Irland der dreißiger Jahre und so etwas wie das Gemeindezentrum eines kleinen abgelegenen Dorfes, umgeben von immergrünen irischen Wiesen.

Wer diesen Saal mit dem schlecht gestimmten Klavier und den sich biegenden Bücherregalen betrat, begegnete einer anderen, freieren Welt. Ausgelassen wurde hier getanzt und gefeiert. Zugleich war die Halle ein Ort der Kommunikation, des Ideenaustausches und der politischen Utopie. Aber das war einmal. Zu Beginn des Films ist Jimmy’s Hall geschlossen. Sie war ein Dorn im Auge der Kirche und konservativer Politiker.

Mit der Rückkehr des Kommunisten Jimmy Gralton aus dem amerikanischen Exil kommt buchstäblich wieder Leben in die Bude: die Dorfjugend bittet den Freigeist, den Betrieb wieder aufzunehmen, an die fröhlichen Zeiten seiner Jugend anzuknüpfen. Wenn die Kamera über die jungen Gesichter gleitet, an den jungen Männer entlang, die noch in die abgetragenen Anzüge ihrer Väter hineinwachsen müssen, und an den Mädchen mit den züchtigen Kleidern entlang, meint man eine Lebenslust zu spüren, die sich endlich Raum verschaffen möchte. Angesichts der lebendigen, manchmal auch wütenden Gegenwärtigkeit dieser Energie vergisst man, dass es sich um einen Kostümfilm handelt.

Ken Loachs Film „Jimmy’s Hall“, den er als seinen letzten angekündigt hat, beginnt also mit einer utopischen Bewegung. Quer durch die Generationen baut die Dorfgemeinschaft diesen Ort wieder auf, den es eigentlich nicht geben darf. Jimmy legt seine aus New York mitgebrachten Swing- und Charleston-Platten auf und erklärt mit Begeisterung die neuesten Schrittfolgen. Im Zuge des neuen Tanzfiebers entdeckt die Landbevölkerung auch die eigene Volksmusik wieder. Es ist einfach schön zu sehen, wie hier junge und alte Menschen in einer Reihe aus der Reihe tanzen.

Und so begegnet man in „Jimmy’s Hall“ einer jener utopischen Gemeinschaften, wie sie seit jeher die Filme von Ken Loach bevölkern. Seit Jahrzehnten betreibt er sein ganz eigenes Kino des linken Gewissens. Es war Ken Loach, der die Zerstörung des britischen Sozialwesens durch die neoliberale Regierung von Margaret Thatcher auf Film festhielt.

Bedingungslose Solidarität

„Jimmy's Hall“. Regie: Ken Loach. Mit Barry Ward, Simone Kirby u. a. Großbritannien/Irland/Frankreich 2014, 109 Min.

In seiner 1993 entstandenen Tragikomödie „Raining Stones“ um einen arbeitslosen Mann, der auf kriminelle Abwege gerät, weil er seiner Tochter ein Kommunionskleid organisieren möchte, gleitet die Kamera einmal entlang einer Hauswand mit dem Graffito „class war“. Klassenkampf heißt bei Ken Loach bedingungslose Solidarität. Er lässt seinen Figuren ihren Stolz und Würde, zeigt sie als Menschen, die ihrem Schicksal gemeinsam auf unverwüstliche Weise die Stirn bieten.

Dieses Leben bettet Loach in eine klare, schnörkellose filmische Form, in aufrüttelnde Erzählungen, die für sich schon wieder eine Art Utopie sind. Der Alltag, den Loach schildert, ist dabei schon Drama und Mühsal genug. Wenn er das kleine Bauernhaus von Jimmys Mutter erkundet, ganz beiläufig ihre von Feldarbeit zerfurchten, angeschwollenen Hände zeigt, ist vieles über ihre Existenz gesagt. Und wenn sich die Kamera unter den kleinen Leseclub im Saal mischt, die konzentrierten Gesichter einfängt, wird die Szenerie wiederum ebenso beiläufig von Wissbegierde erfüllt.

Ähnlich unaufdringlich inszeniert Loach auch das immer größer werdende Unbehagen und Misstrauen der Kirche und ihrer reaktionären Verbündeten gegenüber den Aktivitäten in der Halle. Wie ein dunkler Schatten legt sich nun Hass über die Bilder, die plötzlich etwas Klaustrophobisches bekommen. Ganz langsam löst sich der Film aus seiner Zeit und den konkreten Umständen, und man beginnt sich zu fragen, ob der religiöse Fanatismus in Loachs Irland wirklich in so weiter Ferne liegt.

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