Jogi Löws DFB-Team: Die große Wahlfreiheit

Die Deutschen meistern nicht nicht nur die EM-Qualifikation, sondern auch ein neues Spielsystem. Denn Bundestrainer Löw will auf ein Mittelfeld der Kreativen setzen.

Er spielt einfach: Mesut Özil (o.). Bild: dapd

Sami Khedira hat es mit angesehen, wie die Deutschen am Freitagabend über die bemitleidenswerten Österreicher hinwegmarschiert sind. Der defensive Mittelfeldmann von Real Madrid war nicht fit genug für einen Einsatz und stand nicht im Kader. Er war auf Besuch beim Team.

Nachdenklich dürfte er nach dem 6:2 wieder abgereist sein. Ihm dürfte aufgefallen sein, dass Bundestrainer Joachim Löw gerade dabei ist, seine Position abzuschaffen. Normalerweise spielt Khedira die Sechs neben Bastian Schweinsteiger, der anderen Sechs. Doch die Zeiten der Doppelsechs gehen zu Ende. Joachim Löw schafft im Mittelfeld einen Platz mehr für die Kreativen. "Fußballerische Weiterentwicklung" nennt er das.

Das 4-1-4-1-System, über das sich viele beim Sieg gegen Brasilien im August noch gewundert hatten, könnte die bevorzugte Spielweise der Zukunft werden. Wer vor dem Spiel gedacht hatte, Toni Kroos würde sich neben Schweinsteiger vor der Abwehr einreihen, sah sich getäuscht. Er mischte munter die gegnerische Abwehr auf, spielte, wie er es selbst nannte, eine "zweite Zehn" und wurde nur ab und zu von Schweinsteiger zurückbeordert.

Da gebe es, erläuterte Chefchen Führungsspieler, keine Vorgaben. Der Bundestrainer lasse der Mannschaft die Freiheit, von sich aus zu reagieren. Schweinsteiger macht das schon. Und dann kann er sich in aller Ruhe von hinten ansehen, was das offensive Mittelfeld so treibt.

Die Konstanten Özil und Müller

In dem gibt es zwei Konstanten. Die eine ist - natürlich - Mesut Özil. Er spürt die Momente, in denen er marschieren kann, er schießt, wenn er eine Lücke sieht, und passt, wenn er einen Mitspieler in den freien Raum starten sieht. Er spielt einfach. Und weil es so einfach aussieht, was er macht, wirkt er so dominant. Die andere Konstante ist Thomas Müller, für den Löw rechts vorne einen Platz reserviert hat. Der hatte am Freitag einfach Spaß, seinen Gegenspieler Christian Fuchs so richtig fertig zu machen. Müller: "Ich habe ein bisschen Gas gegeben."

Sorgen, dass ihn Mario Götze, der neue Liebling der deutschen Fans, der bei Dortmund außen spielt, gefährlich werden kann, muss sich der Bayer nicht machen. Das hat der Bundestrainer schon gesagt. Der sieht den jungen Götze, den er "nicht verheizen" will, in der Zentrale. Da will er ihn morgen in Danzig gegen Polen (20.45 Uhr, ZDF) von Beginn an einsetzen.

Mesut Özil bekommt eine Pause. Aber irgendwann, wenn Schweinsteiger mal keinen braucht, den er nach hinten beordern kann, könnte Götze (Kroos: "Ein Superjunge") den Neben-Özil geben. Wer dann vorne spielt, ist dann auch egal.

Podolski als ewiger Förderschüler

Ganz offen tobt der Konkurrenzkampf auf der linken Offensivseite. Dort hat Lukas Podolski wieder gezeigt, dass er reagiert, wenn er vom Bundestrainer vor aller Öffentlichkeit einen Anschiss kassiert. "Wenn er aus der Bewegung kommt, ist er immer gut", sagte Löw. Podolski wird wohl ewig der persönliche Förderschüler von Löw bleiben. Es ist dem Bundestrainer erneut gelungen, ihn in Bewegung zu versetzen.

André Schürrle; Podolskis Konkurrent auf links, braucht keine Sonderbetreuung. Wieder ist er aufs Feld gekommen, ist schnell und stets richtig gelaufen und hat wieder ein Tor geschossen. Links vorne hat Löw längst völlige Wahlfreiheit. Löw: "Wenn man in der Weltspitze sein will, dann braucht man eine Mannschaft wie diese, wo einer den anderen ersetzen kann."

Dass das Nationalteam zur Weltspitze gehört, bestreitet niemand mehr, dass sie, die mit dem Sieg über Österreich die Qualifikation für die EM zum frühestmöglichen Zeitpunkt sichergestellt hat, zu den Titelfavoriten gehört, auch nicht. Ob sie Top-Favorit ist, darüber wird noch diskutiert. Für den Bundestrainer gibt es eine ganze Handvoll solcher: Spanien, Italien, Frankreich, England und "auch Portugal hat eine gute Mannschaft".

Er musste lächeln, als er dies sagte. Zufrieden ist er mit dem, was seine Mannschaft kann. Seine Aufgabe wird sein, die "Spannung hochzuhalten" in den nun unwichtig gewordenen Qualifikationsspielen. Teammanager Oliver Bierhoff will ihm helfen. Er will ein "Motto oder einen Slogan" für die EM-Kampagne ersinnen. Das soll, hat er gesagt, irgendwie auch auf die Gastgeberländer Polen und Ukraine eingehen. Eroberung? Bitte nicht.

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