Journalist über Anti-Obama-Kampagnen: „Die Zauberkraft der Märkte“

Vielen US-Bürgern wurde eingeredet, dass die Regierung schuld sei ist an der Krise, glaubt der Journalist Robert Parry. Die Linke habe nicht genug dagegengehalten.

Bekommt viel Hass zu spüren: US-Präsident Obama. Bild: dapd

taz: Herr Parry, woher kommt die Wut gegen Washington und gegen „die Regierung“?

Robert Parry: Seit mindestens drei Jahrzehnten hat die amerikanische Rechte aggressiv und wirksam argumentiert, dass die Regierung die Quelle der meisten Probleme im Land ist. Ohne die Regierung würde der Privatsektor besser funktionieren. Seit Ronald Reagan gesagt hat: „Die Regierung ist nicht die Lösung, sondern das Problem“, ist diese Botschaft unendlich oft wiederholt worden. Und sehr effektive Propaganda geworden.

Wie ist die Linke damit umgegangen?

Sie hat nicht dagegengehalten, dass die Regierung eine wichtige Rolle spielt und nützlich ist und Gutes tun kann.

Warum nicht?

62, ist investigativer Reporter mit Auszeichnung (u. a. für seine Recherche über die Iran-Contra-Connection). Er hat für verschiedene Medien gearbeitet, darunter AP und Bloomberg. 1995 gründete er das erste investigative Nachrichtenmagazin im Internet (consortiumnews.com), das er bis heute leitet. Dabei befasst er sich auch mit der Frage, warum US-BürgerInnen gegen ihr eigenes Interesse handeln.

Nach dem Vietnamkrieg ist die gut funktionierende Medienstruktur aus Magazinen und Nachrichtendiensten verschwunden. Die Linke hat sich auf lokale Themen und lokales Organisieren konzentriert, und den Slogan kreiert, „Think globally, act locally“ (Global denken, lokal handeln). Den Krieg der Ideen – wie die Rechten sagen – hat sie nicht geführt. In den 80er Jahren ist „liberal“ fast ein Schimpfwort geworden.

Was haben die Demokraten denn getan, während die Rechten den „Krieg der Ideen“ führten?

Um ihre Jobs in der Regierung zu retten und hier und dort eine Wahl zu gewinnen, haben auch sie zunehmend die Rolle der Regierung heruntergespielt. Einschnitte in den Wohlfahrtsstaat gemacht. Den internationalen Handel gestärkt. Daraus entstand das Argument, dass die Regierung vor allem für die nationale Verteidigung gut ist.

Welche Rolle spielen rassistische Ressentiments bei der aggressiven Kampagne gegen Barack Obamas Politik?

Dass Präsident Barack Obama schwarz ist, mag für einige Leute der Grund sein, ihn zu hassen. Aber das größere Thema ist dieser ideologische Riss. Der hat dafür gesorgt, dass viele Leute – inklusive viele Arbeiter – glauben, dass die Märkte alles regeln können. Es handelt sich um einen beinahe religiösen Glaube, dass die Märkte es besser können. Der Glauben an die Zauberkraft der Märkte ist die andere Seite der Medaille. Darin sind auch die Attacken gegen die Regierung enthalten.

Aber die Märkte haben doch erst vor vier Jahren – im Herbst 2008 – versagt.

Das haben damals auch viele erkannt. Und das ist einer der Gründe, weshalb Barack Obama die Wahlen von 2008 gewonnen hat. Aber die Rechte hat sich sehr schnell wieder Gehör verschafft. Und sie hat es geschafft, viele davon zu überzeugen, dass Barack Obama durch seine Interventionen – also neue Regeln für die Wall Street, die Gesundheitsreform und das Konjunkturprogramm – die Wirtschaft davon abhält zu boomen. Gerade weil die Kampagne – der Krieg der Ideen gegen die Regierung – schon so lange anhält, klingt das für viele überzeugend.

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