Journalist über die tschechische Regierung: „Babiš hat sich den Staat gekauft“

Pavel Safr sieht in der neuen Regierung unter dem Oligarchen Andrej Babiš eine Gefahr für die Demokratie. Dessen Liberalität ist eine Maske für den Westen, sagt er.

Andrej Babis nach seiner Vereidigung am 6. Dezember

Andrej Babis nach seiner Vereidigung am 6. Dezember Foto: ap

taz: Herr Safr, kaum jemand hat als Manager die tschechische Medienszene seit der Wende so beeinflusst wie Sie. Nachdem Sie jahrelang die wichtigsten Zeitungen im Land geleitet haben, entschlossen Sie sich 2015, in den, wie Sie es nennen, „medialen Untergrund“ zu gehen. Warum?

Pavel Safr: Die tschechischen Mainstream-Medien sind oligarchisiert und meine Einstellung gegenüber der tschechischen Oligarchie ist zu kritisch. Die tschechischen Oligarchen ähneln den russischen. Sie stammen aus den kommunistischen Geheimdiensten oder dem Außenhandel und bilden alte Seilschaften mit der einstigen kommunistischen Nomenklatura.

Reden Sie jetzt über Oligarchen allgemein oder über den neuen tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš?

Babiš ist das Symbol der tschechischen Oligarchie. Weil er in sich alles vereint, was einen Oligarchen ausmacht: eine Vergangenheit in der Kommunistischen Partei und der Staatssicherheit, Kontakte aus dem Außenhandel und ein rücksichtsloses Vorgehen während der wirtschaftlichen Transformation der 1990er Jahre. Von dem Gewinn, den Babiš dadurch gemacht hat, dass er mit dem Staat handelt, hat er sich den Staat jetzt gekauft. Beziehungsweise seine Wähler.

Wer oder was hat ihm das ermöglicht?

Die Freiheit hat es denjenigen ermöglicht, die durch ihre Nähe zum Regime einen Vorsprung hatten, während der Privatisierung den größten Teil des staatlichen Eigentums an sich zu reißen. Deshalb passen Vergleiche mit Trump nicht zu Babiš. Der war nicht mit der kommunistischen Geheimpolizei verbandelt und hat auch kein staatliches Eigentum übernommen.

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Die tschechische Gesellschaft hatte ein Vierteljahrhundert Zeit, sich in der Freiheit zurechtzufinden. Und sie hat Andrej Babiš gewählt. Trotz seiner Vergangenheit in der tschechoslowakischen Stasi und obwohl er ein Oligarch postsowjetischen Typs ist. Ist sein Erfolg nicht auch ein Produkt des Scheiterns der liberalen Eliten Tschechiens?

Natürlich. Wir sind alle gescheitert. Die Demokraten an ihrer Unfähigkeit, sich zu organisieren. Und die Prager intellektuelle Elite scheitert an ihrer niedrigen Moral. Da ist die Hälfte bereit, Babiš aus der Hand zu fressen. Aber auch Herr Arnold von der Rheinisch-Bergischen Verlagsgesellschaft ist gescheitert, als er 2013 seinen tschechischen Zeitungsverlag an Babiš verkauft hat. Damit hat er sich mitverantwortlich gemacht für den Verfall der freiheitlichen Gesellschaft und den Niedergang der tschechischen Medien.

International gibt sich Babiš liberal. Seine ANO ist Mitglied der ALDE-Fraktion im Europaparlament.

Das ist eine Maske für den Westen. Babiš ist sehr gewieft, wenn es darum geht, welche Maske er wo aufsetzen soll. Babiš lässt sich mit nichts, was man im Westen kennt, vergleichen. Wäre es in Deutschland vorstellbar, dass ein Ex-Stasi-IM, der staatliches Eigentum übernommen hat, das von der Größe und Einfluss her vergleichbar ist mit Siemens und BASF zusammen, und sich die Welt, die SZ und einen großen Radiosender gekauft hat, Kanzler wird?

Am Mittwoch stellt Babiš, seine MinisterInnen vor. Mit denen will er eine Minderheitsregierung bilden. Was kommt jetzt?

Seine Minister sind untergeordnete Angestellte, keine politischen Minister, wie wir es in demokratischen Regierungen kennen. Eine solch absurde Regierung kann nur auf der Basis eines Komplotts entstehen. Zu dem Komplott gehört auch der prorussische Präsident Miloš Zeman, der Babiš bedingungslos unterstützt und ihm einen Blankoscheck zur Regierungsbildung ausgestellt hat. Deshalb gibt sich Babiš erst gar nicht mit Koalitionssondierungen ab. Er weiß, dass er in dem Moment, in dem er sich in den Ministerien breitmacht, den Staat beherrscht. Und wenn die Regierung kein Vertrauen erhält, bildet er eben eine neue.

Und das kann er immer wieder so machen?

Ja, die tschechische Verfassung ermöglicht es. Babiš setzt darauf, dass er demokratische Kräfte für seine Regierung gewinnt, die ihm eine Fassade der Legitimität geben sollen. Seine Macht würde er aber nicht teilen. Noch nie in der Geschichte der tschechoslowakischen Staatlichkeit hat ein Einzelner so viel Macht in seinen Händen konzentriert wie Andrej Babiš. Er ist ein neuzeitlicher Leviathan, der die liberale Demokratie kochen wird wie einen Frosch.

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