Jüdische Gemeinde Berlin: Neue Hürde für neuen Vorstand

Fast 2.000 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde wollen einen neuen Vorstand wählen. Die amtierende Führung will die dafür abgegebenen Unterschriften aber nicht akzeptieren.

Unter der schönen Kuppel tobt ein hässlicher Streit. Bild: AP

Der Streit, der die Jüdische Gemeinde zu Berlin seit langem erschüttert, steht möglicherweise vor einer neuen Eskalation. Denn die dafür zuständige Repräsentantenversammlung will die Unterschriften, die eine oppositionelle Initiative für Neuwahlen gesammelt und im Dezember eingereicht hat, mit einem ungewöhnlichen Verfahren prüfen. Per Brief wurden alle Gemeindemitglieder, die ihre Stimme für die Neuwahlinitiative abgegeben hatten, am Mittwoch aufgefordert, ihre Entscheidung erneut schriftlich zu bestätigen. Die Oppositionellen in der Gemeinde, die den Neuwahlantrag unterstützen, sind über dieses Vorgehen empört.

Laut dem Vorsitzenden der Repräsentantenversammlung, Michael Rosenzweig, sei das Prüfungsverfahren notwendig geworden, nachdem bei einer telefonischen Stichprobenabfrage 11 von 60 angerufenen Abstimmungsteilnehmern bestritten hätten, den Antrag ausgefüllt zu haben. Das sei eine Quote von fast 20 Prozent, so Rosenzweig. Damit sei „der Verdacht da“, dass Anträge „falsch ausgefüllt wurden“. Von Betrug seitens der Neuwahlinitiative wollte er ausdrücklich nicht reden.

Von den insgesamt 1.904 gesammelten Stimmen seien nach einer ersten Überprüfung 1.828 gültig gewesen, so Rosenzweig. Das sind genau vier mehr, als für einen Erfolg des Neuwahlbegehrens nötig wären. Das erforderliche Quorum liegt bei 1.824 Stimmen, 20 Prozent der insgesamt 9.122 wahlberechtigten Gemeindemitglieder. 76 Stimmen seien für ungültig befunden worden, weil die Unterzeichner verstorben, aus der Gemeinde ausgetreten, keine Gemeindemitglieder oder nicht wahlberechtigt seien. In fünf Fällen sei die Gültigkeit unklar, so Rosenkranz, etwa wegen vom offiziellen Mitgliederverzeichnis abweichender Anschriften der UnterzeichnerInnen. Diese Stimmen habe man zunächst den gültigen zugeschlagen.

Insgesamt 1.833 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde erhalten demnach dieser Tage einen Brief, in dem sie in russischer und deutscher Sprache aufgefordert werden, zu bestätigen, dass sie „einen Antrag auf Neuwahl zur Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin eigenhändig und in Kenntnis des Inhaltes“ unterschrieben hatten. Die Rücksendefrist der am Mittwoch versendeten Anschreiben beträgt zwei Wochen: Bis zum 6. Februar müssen die Bestätigungen bei der Gemeinde – die das Porto für die Rücksendung übernimmt – eingehen.

„Illegal“ nennt Sergey Lagodinsky, Mitglied der Repräsentantenversammlung und Unterstützer des Neuwahlantrags, das Vorgehen des Vorstands: Ein solches zweites Befragungsverfahren sei in der Satzung der Gemeinde nicht vorgesehen und „faktisch eine Aushebelung des satzungsgemäßen Instruments eines Neuwahlantrags“. Tatsächlich verlangt die Satzung der Jüdischen Gemeinde die „Überprüfung des Antrags“, ohne festzulegen, wie diese erfolgen soll.

Der Präsidiumsvorsitzende Rosenzweig sieht deshalb in der Briefaktion ein „gutwilliges Entgegenkommen“ gegenüber der Opposition. Denn die elf Ausfälle bei der telefonischen Nachfrage eingerechnet, hätte der Vorstand den Antrag auch direkt für gescheitert erklären können: „Wir wollten aber die Chance einräumen, dass es doch noch klappt“, so Rosenzweig.

Das sieht Micha Guttmann, Mitglied der Repräsentantenversammlung und Mitinitiator der Neuwahlinitiative, ganz anders: „Das Quorum war nach der Prüfung der Unterschriften durch den Vorstand erreicht.“ Das schriftliche Prüfungsverfahren sei deshalb „ein klarer Versuch, fast 2.000 Gemeindemitgliedern das Recht zu versagen, Neuwahlen zu beantragen“, so Guttmann: „Denn das ist das Ziel.“ Dass von der Neuwahlinitiative gesammelte Ja-Stimmen als ungültig gelten sollen, wenn sie nicht in dem zweiten Verfahren schriftlich bestätigt werden, widerspreche „jeder demokratischen und rechtlichen Verhaltensweise. Wie werden das nicht akzeptieren und überlegen derzeit, wie wir dagegen vorgehen werden“, so Guttmann.

Der Streit in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin schwelt bereits seit Jahren. Hintergrund ist vor allem die schlechte Wirtschaftslage der Religionsgemeinschaft, die mit etwa achtzehn Millionen Euro jährlich vom Land Berlin unterstützt wird. Der Senat hatte einen Teil der Zahlungen im vergangenen Jahr zeitweise wegen mangelhafter Wirtschaftspläne ausgesetzt. Die InitiatorInnen der Neuwahlinitiative werfen dem amtierenden Vorsitzenden der Gemeinde, Gideon Joffe, undemokratische und intransparente Führungsmethoden vor.

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