Jürgen Trittin kehrt zurück: Sein gutes Recht

Bisher deckelten die Grünen die Debatte um die Haltung zur Ukraine. Am Wochenende wird sie offen ausgetragen – mit Trittin auf dem Podium.

Macht gerne Ansagen: Jürgen Trittin. Bild: reuters

BERLIN taz | Noch vor ein paar Tagen konnte man den Eindruck gewinnen, es gehe bei den Grünen höchst harmonisch zu in der schwierigen Frage, wie sich die Partei im Ukrainekonflikt positionieren soll. Parteichef Cem Özdemir lud zur Podiumsdiskussion mit Ex-Außenminister Joschka Fischer und der Spitzenkandidatin Rebecca Harms nach Berlin-Mitte – und die Diskutanten pflichteten einander in allen Punkten eifrig bei.

Nicht die aufregendste Konstellation für eine Diskussion, doch in diesem Fall war es wohl genau so gewünscht – zu groß die Sorge, eine offene Kontroverse könne das Wahlkampffinale überschatten. Eine Woche nach der Europawahl dürfen die Grünen die bisher gedeckelte Debatte nun verspätet austragen. Der Bundesvorstand hat die Tagesordnung für den Länderrat am Samstag erweitert und lässt über einen „Dringlichkeitsantrag“ zur Ukraine abstimmen. „Es wäre falsch, innerparteiliche Debatten unter den Teppich zu kehren“, sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner der taz.

Der knapp drei DIN-A4-Blätter füllende Dringlichkeitsantrag, den Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Samstag vorstellen darf, enthält keine Sensationen: der Sanktionsplan der EU soll weiter unterstützt werden, die OSZE-Mission gestärkt, alle deutschen Rüstungsexporte nach Russland gestoppt, eine Europäische Energieunion vorangetrieben werden.

Bemerkenswert ist aber die Rednerliste für die Debatte. Als gesetzte Teilnehmer stehen darauf nicht nur die Osteuropa-Sprecherin Marieluise Beck und ein Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden – sondern auch ein Parteipromi, der seine künftige Rolle nach der vergeigten Bundestagswahl im vergangenen Herbst so umschrieb: „Ich habe keinen Plan B.“ Jürgen Trittin, Ex-Fraktionschef und Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, ist inzwischen einfaches Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Theoretisch also ein Hinterbänkler. Doch seit der Eskalation auf der Krim ist er in der Ukraine-Debatte prominenter vertreten als mancher führende Kopf in Partei und Fraktion.

Trittin stellt sich quer zur Grünen-Führung

Gerade erst diagnostizierte der Stern per Umfrage, die Mehrheit der Deutschen finde die Grünen-Führung zu blass, es gebe eine Sehnsucht nach Leuten wie Fischer und Trittin. Prompt kommt nun am Samstag Letzterer als außenpolitischer Stratege zurück auf die Bühne beim kleinen Parteitag. Die neue Präsenz des Umweltministers a. D. nervt einige in Partei und Fraktion.

„Mir ist nicht ganz klar, welche Rolle Jürgen Trittin einnehmen will“, mosert Dieter Janecek, Realo, wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion und bayerischer Landeschef. Er habe nichts gegen kontroverse Debatten und es sei Trittins „gutes Recht“, eine eigene Position zu vertreten. Allerdings nehme der Ex-Fraktionschef sich nicht zurück – „ob das immer hilfreich ist, ist eine andere Frage“.

Im neuen Dringlichkeitsantrag des Parteivorstands heißt es, die Ukraine habe „im Zuge des Selbstbestimmungsrechts“ auch das Recht, „eine EU-Beitrittsperspektive anzustreben“. Selbst wenn ein EU-Beitritt „derzeit kein Thema“ sei, sollten die Türen für die Ukraine offen bleiben.

Trittin bezog in der Ukraine-Debatte früh eine Position, die quer zu den Thesen der aktuellen Grünen-Führung steht. Im April publizierte er einen „Fünf-Punkte-Plan“, der nach dem Vorbild Finnlands eine neutrale Rolle für die Ukraine vorsieht – „weder wird ein Nato-Beitritt angestrebt noch ist eine EU-Mitgliedschaft mittelfristiges Ziel“. Wie er am Wochenende beim Länderrat argumentieren wird, konnte sein Büro auf Anfrage nicht sagen. Trittin mache derzeit Kurzurlaub in Frankreich und sei nicht erreichbar.

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