Jugendliche und ihre Eltern: Mützen sind einfach nice

Sie sind respektlos, tragen Mützen, rauchen, lieben Ballerspiele. Wie soll man Teenager nur verstehen? Vier Lektionen eines 14-Jährigen.

Unser Autor Fritz Wegemann läuft nicht gerne unbedenkten Hauptes herum. Bild: Erik Irmer

Fritz heißt er. Ein junger Mann, vierzehn Jahre alt und auf welpenhafte Weise ungeduldig. Als Schülerpraktikant kam er in die Redaktion. Erkläre uns, was wir nicht verstehen, fragten wir ihn. Hier sind seine Lektionen:

Ich trage Mützen. Ich trag sie im Winter und im Sommer. Ich trage sie draußen. Ich trage sie drinnen. Meine Mutter sagt: „Nimm die Mütze ab am Tisch.“ Ich: „Wieso?“ Sie: „Weil es sich so gehört.“

Ich behalte die Mütze auf. Sie ist für mich so wichtig wie die Hose. Wenn ich die Mütze abnehme, fühle ich mich wie ohne Hose. Unter der Mütze bin ich sicher. Kann besser arbeiten, kann besser nachdenken, kann mich besser konzentrieren. Ich hab Mützen in allen Farben, Rot, Blau, Grün, Gelb, Schwarz – am liebsten Schwarz. Mützen sind nice.

Ich weiß gar nicht, was die gegen Mützen haben? In der Kirche, in der Schule, beim Essen – immer soll ich sie runternehmen. Tue ich es nicht, hat meine Mutter schlechte Laune, der Lehrer konfisziert sie sogar. „Hey Papa, bleib cool.“

Warum wollen Erwachsene, dass ich mich schlecht fühle? Ich provoziere nicht, ich habe einfach nur ’ne Mütze auf. Mein Klassenlehrer vergisst manchmal im Unterricht, seine Kappe abzusetzen. Und? Keiner von uns sagt: „Nimm sie ab.“ Also was jetzt: Mütze erst ab 30? Bald das neue Gesetz: Verkauf von Mützen an Jugendliche unter 18 Jahren verboten? Und dann? Werde ich dann von Polizisten auf der Straße angehalten, wie sie es manchmal bei rauchenden Jugendlichen tun?

14 Jahre alt, ist Schüler in der 9. Klasse an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum.

Einmal im Ski-Urlaub, da ist ein Junge in einer Kurve hingefallen und hat sich wehgetan am Kopf. Der hatte keinen Helm auf und konnte nicht mehr weiterfahren. Er fror. Da habe ich meine Mütze runtergenommen und sie ihm geschenkt.

2. Das Rauchen sein lassen

Seine Mutter liegt im Wachkoma. Er möchte sie erlösen. Also beschließt Jan, sie zu töten. Die Geschichte über die Grenzen der Sterbehilfe lesen Sie in der taz.am wochenende vom 28. Februar/1. März 2015. Außerdem: Unser Fotoreporter betrinkt sich mit Chinesen. Ein Jugendlicher erklärt Erwachsenen die Welt. Und: Das Erzbistum Köln legt seine Finanzen offen. Aber entsteht dadurch echte Transparenz? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Ich rauche nicht. Ich hab’s nur einmal ausprobiert. „Hey, ausprobiert, nur ausprobiert!“ Zwischen Rauchen und Ausprobieren liegen Galaxien.

Alle sagen, sie hätten es nur ausprobiert, wenn sie beim Rauchen erwischt werden. Aber ich, ich rauche wirklich nicht.Trotzdem gehe ich zu meinen Freunden in der Raucherecke. Die Leute dort halten irgendwie zusammen, auch wenn sie sich nicht kennen. Außerdem sind die Gespräche ausgelassener und die Leute viel entspannter.

Neulich haben wir über die letzte Klassenfahrt geredet, haha, nach Brandenburg wie jedes Jahr, was man halt so labert zu Brandenburg, „blablabla“. „Mensch, du laberst wie Katrin Oertel“, sagt einer plötzlich zu mir. „Wer ist denn das?“, fragt ein anderer. „Die Tussi von der Pegida, die bei Günther Jauch war. Was die für einen Mist redet.“ Sage ich: „Heißt das, ich hab jetzt Mist geredet?“ Sagt ein Dritter: „Du doch nicht.“ Sagt ein Vierter: „Dein Mist ist qualifiziert.“ Sagt ein Fünfter: „Dortmund hat schon wieder verloren?“ Sag ich: „Scheiße.“

Ich mag die Leute in der Raucherecke. Sie sind cool, eben weil sie rauchen. Ich werd’ oft gefragt, ob ich mitmachen möchte, aber ich sag immer „Nee.“ Meine Schwester raucht. Sie hat mal gesagt: „Zigaretten schmecken ekelhaft, aber deswegen raucht ja keiner.“ Warum dann? Weil’s cool ist. Ich stehe fast immer lässig neben meinen Kumpels und wenn ein Erwachsener vorbeikommt und sagt, dass das jetzt aber wirklich nicht gut ist, wenn geraucht wird, fühle ich mich gleich noch gelassener.

3. Ballerspiele spielen

Ich liebe Ballerspiele. Bei „Call of Duty“, da spüre ich jedes Mal das Adrenalin in den Adern. Die Geräusche von Treffern klingen so gut, dass ich nicht aufhören möchte. Und die knalligen Zahlen, die immer aufleuchten, wenn man einen Gegner tötet! Ich liebe es, wenn man am Ende einer Runde das Geld für die gemachten „Kills“ bekommt. Diese grünen Zahlen auf der Spielbank, die sich nach jedem Spiel vermehren.

Das Argument, dass Jugendliche immer gleichgültiger werden im Umgang mit Gewalt in Medien, kann ich sogar nachvollziehen. Mich lassen die Nachrichten von Anschlägen und Morden fast immer kalt. Aber zu sagen, wir Zocker würden zu potenziellen Amokläufern und Auftragskillern werden, kann ich nicht verstehen. Obwohl ich Killerspiele spiele, heißt das nicht, dass ich weiß, wie man eine Waffe richtig hält, geschweige denn die Hemmung verliere, Menschen zu töten.

Und als ich das Video auf YouTube gesehen habe, wo die Terroristen in Paris den Polizisten, der am Boden lag, einfach abknallten, ist mir schlecht geworden. Das war Realität. Ich kann unterscheiden.

4. Keinen Respekt haben

Neulich Nacht bin ich auf dem Heimweg von ’nem Freund durch die Hasenheide gefahren. Keine Passanten, keine Laternen, nur Drogendealer sind im Park im Berlin. Mir war unheimlich, deshalb bin ich immer schneller gefahren. Irgendwann kam ich an einem Jogger vorbei, der mich am Ärmel vom Rad runterriss. Dann schrie er mich an, was das denn sei, so schnell an einem Passanten vorbeizufahren? Und dass ich mich gefälligst entschuldigen solle. Hab ich aber nicht gemacht. Da sagte er, ich sei respektlos. Ich: „Sie haben mich doch vom Fahrrad gestoßen, ist das vielleicht respektvoll?“

Auf Verständnis bin ich nicht gestoßen. Immer wird uns vorgeworfen, wir Jugendlichen seien respektlos, wir drängeln uns angeblich immer vor, im Bus, im Supermarkt, an der Kinokasse. Aber Erwachsene sind doch auch Kindern gegenüber respektlos. Sie produzieren Atommüll und Abgase in Massen und machen sonst was kaputt.

Viele Erwachsene denken: Wir sind ja nur Kinder, wir müssen machen, was gesagt wird. Die glauben, wir ließen uns das gefallen. Ist dann aber nicht so.

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