Juli Zeh wird Landesverfassungsrichterin: Unter Richtern statt Unterleuten

Bekannt ist Juli Zeh als Autorin zahlreicher Romane. Sie ist aber auch promovierte Juristin – und neue Richterin am Verfassungsgericht in Potsdam.

Ein Porträt der Schiftstellerin Juli Zeh. Sie lacht.

Jetzt auch Richterin für das Brandenburger Landesverfassungsgericht: die Erfolgsautorin Juli Zeh Foto: dpa

„Ich bin eine gut bezahlte Arbeitslose“, hat Juli Zeh (44) vor ein paar Wochen in einem Interview gesagt. Was sich dadurch erklärt, dass Zeh das, was sie bekannt gemacht hat, nämlich Schriftstellerei, nicht als Arbeit versteht – „also wirklich, wirklich, wirklich nicht“, sagt sie den Kollegen vom Tagesspiegel. In jedem Fall ist Zeh seit Mittwoch etwas weniger arbeitslos: Sie ist nun Richterin am Brandenburger Landesverfassungsgericht. Für die nächsten zehn Jahre hat der Landtag sie in das neunköpfige Gremium mit Sitz in Potsdam gewählt. Zeh ist dort nicht das einzige Mitglied mit Promi-Faktor: Seit 2012 ist auch „Sommer vorm Balkon“-Regisseur Andreas Dresen Verfassungsrichter.

Bei ihm geht das, weil drei Mitglieder nicht das zweite juristische Staatsexamen abgelegt haben müssen, das zum Richteramt befähigt. Zeh gehört aber nicht in diese Gruppe: Sie hat nicht nur die nötigen Examen, sondern setzte noch einen internationalen Master-Abschluss drauf und promovierte 2010 zur Dr. jur. Da war sie längst eine erfolgreiche Schriftstellerin. Ihr erster Roman „Adler und Engel“ erschien 2001 – und wurde in 35 Sprachen übersetzt.

Auch bei Wenigerlesern prominent wurde Zeh, als im Frühjahr 2016 „Unterleuten“ auf den Markt kam, dieser vielschichtige Blick auf ein fiktives Brandenburger Dorf zwischen intellektuellen Berliner Stadtflüchtern, bodenständigen Pragmatikern, Streit um Windräder und alten Geschichten von vor der Wende. Über 600.000-mal verkaufte sich das Buch. Zeh konnte da auch ihr eigenes Umfeld und die dortige Diskussion über solche Anlagen abbilden: Sie stammt zwar aus Bonn, wuchs dort auch auf, lebt aber seit mehreren Jahren in einem Brandenburger Dorf.

Vom Erfolg her sowie wegen der ostdeutschen Thematik und seiner Wucht – über 640 Seiten – könnte man den Roman auch als entfernte dörfliche Variante des noch dickeren Dresden-Romans „Der Turm“ betrachten. Anders als dessen Autor Uwe Tellkamp, hat Zeh schon ein Jahr später, 2017, den nächsten Bestseller vorgelegt: „Leere Herzen“, die skurril-zynische Beschreibung einer Selbstmordattentäter-Vermittlung.

Und dieses Jahr eben „Neujahr“, die auf Lanzarote, beliebter Urlaubsort von Zeh, angesiedelte Geschichte eines Familienvaters mit Panikattacken, der mit einem Kindheitstrauma konfrontiert wird. Im Vergleich zu „Unterleuten“ mit seiner schwer zu überschauenden Zahl von Protagonisten mit 192 Seiten nur ein dünnleibiges Kammerstück, aber extrem dicht und mit Thrillermomenten ein echter Pageturner.

Aber das Vielschreiben ist ja laut Zeh keine Arbeit. Und das Vakuum kann auch die neue Richterstelle nicht ganz ausfüllen, weil diese ehrenamtlich und von der zeitlichen Belastung auf „nebenher“ angelegt ist. Der Präsident des Brandenburger Verfassungsgerichts etwa ist eigentlich Direktor eines Sozialgerichts. Selbst wenn es mehr wäre: Als Arbeit ordnete SPD-Mitglied Zeh ihren Interviewern gegenüber auch das Verfassungsrichteramt nicht ein. Ihre Kategorie dafür: „gesellschaftliches Engagement“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.