Jungfilmer-Preis verliehen: Nico, Klaus und der Ernst

Von wegen anarchische Fingerübung: Bei der Verleihung der First Steps Awards in Berlin zeigt sich das hohe Niveau, auf dem junge Filmemacher arbeiten. Und ihre Vorliebe für ganz harten Tobak.

Wer von den beiden das Ding mit Hause nehmen darf, muss noch ausgeknobelt werden: Hanno Olderdissen (l.) und Markus Sehr mit Award für den Film "Stunt". Bild: dpa

Der Klaus ist Bürgermeister und steht im Ruf, alles andere als zugeknöpft zu sein. Doch so weit offen wie bei der First-Steps-Gala am Dienstag trägt selbst der Klaus sein Hemd nur selten, höchstens mal im Urlaub. Apropos: Neben dem Klaus steht der Nico, der den Klaus eingeladen hat. Der Nico ist Filmproduzent, einer der erfolgreichsten im Lande, und hat sich First Steps ausgedacht. Der Klaus, sagt der Nico, richte mittlerweile seinen Urlaub nach dem Termin der Preisverleihung. Das macht den Nico so richtig stolz. Er strahlt mit seinem weißen Einstecktuch um die Wette, der Nico. Und dann steht da noch eine junge Frau auf der Bühne des Theaters am Potsdamer Platz, Nina, aber zu ihr später mehr.

Der Nico, der mit Nachnamen Hofmann heißt und mit seiner Firma Teamworx Filme wie "Dresden" und "Die Flucht" produziert hat, strahlt immer noch. Jetzt, weil er der Nina erzählt, dass die First-Steps-Gala sich seit der Gründung des Preises im Jahr 2000 "zu einem Klassentreffen der Branche entwickelt" habe. Er habe, sagt der Nico, alle nominierten Filme gesehen. Das ist viel Holz für einen so viel beschäftigten Mann: 26 Produktionen von Filmstudenten aus Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland, die meisten davon Abschlussfilme.

Bevor der Klaus wieder auf seinen Platz geschickt wird, appelliert er an die Sender und Produzenten, "auch mal den Mut zu haben, auf unbekannte Namen zu setzen". Applaus. Dieser Satz gehört zu First Steps wie das "Eltern haften für ihre Kinder" zur Baustelle. Der Saal ist voller Menschen, die die Forderung einlösen könnten, aber lieber klatschen, als es zu tun.

Doch zum Glück muss man die Hauptpersonen des Abends nicht zum Mut ermahnen. Die Themen ihrer Filme sind "harter Tobak", wie die Nina sagen würde. Sie handeln etwa von einem Jungen, der Zeuge einer Kindstötung wird ("Robin" von Hanno Oldermissen), einer Mutter, die ihr Kind nicht lieben kann ("Das Fremde in mir" von Emily Atef) oder einem jungen Mann, den sein Bundeswehreinsatz in Afghanistan, von dem er gerade zurückgekehrt ist, bis in seine Träume verfolgt ("Nacht vor Augen" von Brigitte Maria Bertele).

"Ein Film von großer Reife in der Erzählung und Gestaltung", sagt die Spielfilmjury über "Novemberkind" mit Anna Maria Mühe und Ulrich Matthes. Gewonnen hat trotzdem der gerade erwähnte "Nacht vor Augen", "der fesselt und irritiert und sehr traurig macht". Eine Entscheidung, die Matthes bei der anschließenden Party bedauert, die aber nur zeigt, wie hoch das Niveau der Einreichungen mittlerweile ist und wie veraltet das Klischee vom Abschlussfilm als anarchischer Fingerübung.

Die meisten First-Steps-Nominierungen wollen sehr erwachsen wirken. Doch der Preis leistet sich zum Glück auch noch Filme wie "Rimini" von Peter Jaitz, eine laut Jury "verwirrende, selten langweilige und überhaupt sehr österreichische Mischung aus Polizeifilm, YouTube, Identitätssuche, Kottan, Studentenfilm" oder den verschrobenen, in Schwarz-Weiß gedrehten "Pietas" über Bigotterie in einem Pfarrhaus im Bergischen Land.

Auch einer der beiden Publikumslieblinge gibt sich dilettantisch, der Werbespot "Stunt" (Regie: Hanno Oldermissen, Markus Sehr). Es ist eine Finte. Weil der Kameramann sich von einem Minirock ablenken lässt, verpasst er einen schier unglaublichen Motorradstunt. Fazit: "Filme machen kann man lernen" - an der Internationalen Filmschule Köln. Das ist sehr lustig - und sehr gekonnt. Auch der zweite Publikumsliebling, der Dokumentarfilm "Sonbol" von Niko Apel, besticht durch seinen Humor beziehungsweise den seiner Protagonistin. Dabei hat Sonbol es in ihrer iranischen Heimat alles andere als leicht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie ist gern Single, fährt Autorennen und erzählt schweinische Witze - "das faszinierende und anrührende Porträt einer ganz normalen und ganz ungewöhnlichen Frau", sagt die Jury.

Ach ja, die Nina: Wäre die Nina ein Film, wäre sie nicht für First Steps nominiert worden. Doch sie ist nun mal MTV-Moderatorin und die Tochter von Bernd, einem mindestens so einflussreichen Filmproduzenten wie Nico, also durfte sie durch den Abend führen. Dass sie für Orientierung sorgen soll, hat ihr aber offenbar niemand gesagt. Sie redete sehr schnell sehr viel konfuses Zeug und bediente sich dabei eigenartiger grammatischer Konstruktionen - fast wie Verona Pooth, aber eben leider nur fast.

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