Jurist über ein Anti-Doping-Gesetz: „Immer einen Anreiz, zu dopen“

Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds, plädiert dafür, Doper vor Gericht zu bringen. Auch die Fixierung auf Medaillen müsse aufhören.

„Wenn alle das gleiche Mittel in der gleichen Dosis nehmen, wäre der Wettbewerb vielleicht noch gewährleistet.“ – Vuelta 2013. Bild: dpa

taz: Herr Frank, ist Doping heute strafbar?

Christoph Frank: Derzeit muss ein Sportler, der sich selbst dopt, nur mit sportrechtlichen Konsequenzen rechnen, er macht sich jedoch nicht strafbar. Nach dem Arzneimittelgesetz sind aber zum Beispiel Ärzte und Trainer strafbar, die Athleten dopen. Für alle ist seit 2007 der Besitz von Dopingmitteln in „nicht geringer Menge“ strafbar.

Soll der dopende Sportler künftig bestraft werden?

Die Sportverbände waren lange Zeit dagegen, weil hier der Staat in die Autonomie des Sports eingreife und ihr eigenes Kontrollsystem ausreiche. Diese Position wird sich nach meiner Überzeugung nicht mehr durchhalten lassen. In der Bevölkerung ist die Forderung nach einem sauberen Sport äußerst populär. Die Politik wird diese Grundstimmung in der kommenden Wahlperiode vermutlich aufgreifen. Ich finde ein Anti-Doping-Gesetz auch aus juristischer Sicht durchaus vertretbar, wenn klar ist, welche Rechtsgüter geschützt werden sollen und andere Mittel nicht greifen

Soll der Staat denn künftig jedes unmoralische Handeln bestrafen?

Sicher nicht. Das Strafrecht muss Ultima ratio – letztes Mittel – bleiben. Es darf nicht zur Durchsetzung bloßer Moralvorstellungen benutzt werden. Ein strafrechtliches Dopingverbot für Sportler würde aber anerkannte Rechtsgüter schützen: die Gesundheit der Athleten und den wirtschaftlichen Wettbewerb im Profisport. Als weiteres Rechtsgut kommt der Fairnessgedanke im Sport noch hinzu.

Der 61-Jährige ist seit 2007 Vorsitzender des Deutschen Richterbunds. Als Oberstaatsanwalt leitet er unter anderem die Schwerpunktabteilung für Dopingdelikte bei der Staatsanwaltschaft Freiburg.

Beginnen wir bei der Gesundheit: Müssen denn die Sportler wirklich vor sich selbst geschützt werden? Es gibt doch keine Pflicht zum gesunden Leben.

Das nicht. Aber es gibt auch kein unbeschränkbares Recht auf Selbstschädigung. Deshalb ist auch der Besitz von Drogen zum Eigengebrauch strafbar.

Um das Vermögen der Profisportler zu schützen, genügt da nicht die Strafbarkeit des Betrugs?

Nein. Betrug ist im Strafrecht definiert als Täuschung, die zu einer Vermögensverfügung führt und einen Vermögensschaden verursacht. Wenn aber alle Teilnehmer der Tour de France dopen, dann weiß jeder, was läuft, und keiner wird getäuscht. Bei den konkurrierenden Sportlern fehlt auch eine Vermögensverfügung.

Wird deshalb versucht, Doping als Betrug am eigenen Rennstall zu bestrafen?

Ja. Der Radfahrer Stefan Schumacher steht genau deshalb gerade in Stuttgart vor Gericht. Er soll seinen Rennstall Team Gerolsteiner über sein Doping getäuscht und sich damit hohe Gagen erschlichen haben. Er behauptet aber vehement, dass der Rennstall gewusst haben muss, dass er dopt.

Sie glauben, dass Stefan Schumacher am Ende freigesprochen wird?

Dazu kann ich mich von außen nicht äußern. Aber der Tatbestand eines Dopingbetrugs, der bereits die heimliche Manipulation von Sportereignissen unter Strafe stellt, wäre in solchen Fällen sicher eine große Hilfe.

Wenn alle Sportler dopen, ist dann überhaupt jemand benachteiligt?

Wenn alle das gleiche Mittel in der gleichen Dosis nehmen, wäre der Wettbewerb vielleicht noch gewährleistet. Aber Sportler, die dopen, machen das ja nicht nur, um die Zuschauer wie im Zirkus mit außergewöhnlichen Leistungen zu erfreuen. Das Doping dient doch in erster Linie dazu, den Wettbewerb zu manipulieren und besser zu sein als die Konkurrenten. Es gibt also immer einen Anreiz, mehr und cleverer zu dopen als andere. Die Freigabe von Doping kann daher nie zu fairen Wettkämpfen führen.

Die Fairness im Sport halten Sie auch für ein schützenswertes Rechtsgut. Warum?

Der Sport hat eine große Bedeutung in unserer Gesellschaft. Sportler sind Vorbilder, im Sport lernen Kinder und Jugendliche, sich anzustrengen, Regeln zu beachten, fair zu sein. Doping beschädigt den Sport und seine wertbildende Kraft in anderen Lebensbereichen.

Sollen nur Profisportler wegen Doping bestraft werden oder auch Amateur- und Breitensportler?

Das ist die derzeit politisch umstrittene Frage bei der Schaffung eines Anti-Doping-Gesetzes. Die bayerische Landesregierung und die SPD-Bundestagsfraktion wollen jeden bestrafen, der Dopingmittel besitzt – auch den Freizeitsportler. Baden-Württemberg beschränkt sich in seinem Gesetzentwurf dagegen auf den Berufssport.

Was finden Sie besser?

Beides lässt sich gut begründen. Die Gesundheitsgefahren im Amateursport sind vermutlich sogar höher als im Spitzensport mit seiner individuellen ärztlichen Betreuung. Auch der Fairnessgedanke spielt dort eine besondere Rolle. Wenn aber der gesamte Breitensport einbezogen werden soll, dann müssten Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte entsprechend besser ausgestattet werden. Ich bezweifle, dass der Wille hierzu besteht.

Ist der Staat überhaupt glaubwürdig im Kampf gegen Doping?

Wenn er es sein will, sollte er auch sein Sportförderungssystem auf den Prüfstand stellen. Bisher bekommen diejenigen Sportverbände am meisten Geld, die am meisten Medaillen holen. So werden Leistungen honoriert, die in vielen Sportarten realistischerweise nur mit Hilfe von Doping erzielt werden können. Wer den Kampf gegen Doping wirklich ernst meint, der muss auch diesen Wertungswiderspruch auflösen.

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