Juristin Edda Weßlau gestorben: Gestalterin des Bremer Rechts

Als Dekanin reformierte sie Bremens Jura-Studium, als Theoretikerin untersuchte sie die Praxis des Deals: Ein Nachruf auf die bedeutende Juristin Edda Weßlau.

Wurde nur 57 Jahre alt: Die Rechtswissenschaftlerin Edda Weßlau. Bild: Julia Baier

Am 12. April 2014 ist Edda Weßlau gestorben. Exakt 20 Jahre zuvor, im April 1994, war die Rechtswissenschaftlerin an die Universität Bremen gekommen. Die heroischen Zeiten des Bremer Modells („Der neue Jurist“) mit seiner Einstufenausbildung waren fast vorbei, aber die Abstempelung als rote Kaderschmiede löste sich erst langsam auf. Die Ausbildung im Strafverfahrensrecht war bis Mitte der 90er-Jahre im Wesentlichen den Praktikern überlassen worden, weshalb hier ein großer Nachholbedarf an kritischer Theorie bestand.

Im Übrigen war die Rechtswissenschaft 20 Jahre lang in Bremen eine reine Männerdomäne gewesen, so dass Edda Weßlau, zunächst als Vertretung und ab August 1995 als Professorin zu den ersten drei juristischen Hochschullehrerinnen gehörte. Damit sind die Problembereiche genannt, derer sich Edda Weßlau mit großem persönlichem Einsatz annahm.

Bei der Neustrukturierung der Ausbildung ging es darum, sich einerseits wieder in den gemeinsamen Rahmen des Deutschen Richtergesetzes einzufügen, andererseits einige der Errungenschaften des Projektstudiums zu bewahren. Für Edda Weßlau, die selbst in Hamburg eine dem Bremer Modell verwandte Ausbildung durchlaufen hatte, war es eine Herzenssache, sich für eine Erhaltung progressiver Strukturen einzusetzen.

Als Studiendekanin war sie maßgeblich an der Schaffung der dazu erforderlichen Rechtsgrundlagen beteiligt. Darüber hinaus verstand sie es, nicht zuletzt in ihrer Zeit als Dekanin des Fachbereichs (2005-2009), Brücken zur Stadt und zum Senat zu schlagen. Beispielhaft erwähnt sei der Abschluss eines Kooperationsvertrages zwischen Fachbereich und Justizsenator, der zu verstärkten personellen Verbindungen führte – Praktiker als Honorarprofessoren und Hochschullehrer auf Richterstellen. Sie selbst war von 2007 bis 2011 Mitglied des Bremer Staatsgerichtshofes.

Auf nationaler Ebene war Edda Weßlau als progressive Strafverfahrensrechtlerin eine Figur von stetig wachsender Bedeutung. So war sie Mitglied einer, vom Bundesjustizministerium eingerichteten, Kommission zur Reform des Sanktionsrechts, deren umfangreicher Bericht allerdings nach wie vor auf seine Umsetzung wartet. Sie war in der Redaktion der Zeitschrift „Kritische Justiz“. Die beiden von ihr verfassten Monografien betreffen die zentralen und weiterhin hochaktuellen rechtspolitischen Fragen der Vorfeldermittlungen und des Konsensprinzips – also des „Deals“: Auch nachdem die prozessualen Absprachen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und sogar vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet wurden, sah sie die Bedenken dagegen nicht ausgeräumt. Bis zuletzt, auch während ihrer schweren Erkrankung, wirkte sie an einem der führenden Kommentare zum Strafprozessrecht mit.

Als eine der ersten Professorinnen im juristischen Fachbereich war es für sie ein natürliches Anliegen, eine stärkere Repräsentanz von Frauen auf allen akademischen Ebenen einzufordern. In den Jahren 1998-2000 war sie auch Sprecherin der vom Akademischen Senat der Universität eingesetzten Zentralen Kommission für Frauenfragen. Sie stellte sich jedoch nicht zur Wiederwahl, um sich voll den Aufgaben des Fachbereichs widmen zu können. In diesem Rahmen trug sie erheblich zu einem Klima bei, in dem die Frauenförderpläne der Universität konstruktiv und konsensual umgesetzt werden konnten.

Durch ihren frühen Tod ist eine der letzten Repräsentantinnen des ursprünglichen Stils der Bremer Juristenausbildung verloren gegangen. Dieser Stil war durch intra- und interdisziplinäre Kooperation gekennzeichnet, der auf einem dichten Netz freundschaftlicher Verbindungen beruhte. Im Verhältnis zu den Studierenden wurde großen Wert auf gute Ansprechbarkeit der Lehrenden gelegt, häufig symbolisiert durch offene Türen der Dienstzimmer. Die drastischen Personaleinsparungen der letzten Jahre, verbunden mit dem Exzellenzdünkel, drohen dieses Klima zu zerstören.

Edda Weßlau wird allen, die sie kannten, als eine hinreißend sympathische, intellektuell anregende und politisch aktive Person in Erinnerung bleiben. Sie hinterlässt eine schmerzliche Lücke.

Trauerfeier am 25. April, 13 Uhr, in der Kapelle des Riensberger Friedhofs
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