Juristischer Erfolg für Umweltschützer: Norwegen darf Fjord nicht zur Müllkippe machen
Seit Jahren kämpfen Umweltgruppen dagegen, dass der Bergbau den Førdefjord vermüllt. Ein Gericht gibt ihnen recht – doch die Vermüllung geht weiter.

„Total fantastisch“ ist das laut das Sigrid Hoddevik Losnegård, Leiterin der Organisation Natur og Ungdom (Young Friends of the Earth Norway) und „ein großer Sieg für den Fjord, die Fische und die Menschen“. Das Urteil werde auch die Verschmutzung anderer Fjorde und Gewässer verhindern.
Truls Gulowsen vom Naturvernforbundet (Friends of the Earth Norway) nannte den Erfolg „zweifelsohne einer der größten Siege der norwegischen Umweltbewegung“. Die Umweltorganisationen waren 2022 zusammen gegen den norwegischen Staat vor Gericht gezogen.
Sie meinten, die Betriebs- und Entsorgungsgenehmigungen, die das Unternehmen Nordic Mining seit 2016 von den zwei zuständigen Ministerien für Umwelt und Wirtschaft bekommen hatte, verstießen gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie. An die ist als Land des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) auch Norwegen gebunden. Der Staat müsse die Genehmigungen nun zurückziehen, forderten die Organisationen.
Ist Rutil wichtiger als sauberes Wasser?
Dass die Wasserqualität des Fjordes sich verschlechtern würde, wenn dort mit der Zeit bis zu 170 Millionen Tonnen Grubenabfälle aus dem Abbau des Minerals Rutil verklappt werden würden, stellte auch der Staat nicht infrage.
Entscheidender Knackpunkt war, ob die Umweltverschmutzung quasi als Kollateralschaden hinzunehmen sei, übertrumpft von den Vorteilen des Grubenbetriebs am Berg Engebøfjellet. Natürlich nicht, sagten die Gruppen, die sich seit 15 Jahren gegen das Projekt engagieren.
In erster Instanz hatten sie vor dem Amtsgericht Oslo verloren, das keine Fehler in den Genehmigungsverfahren sah. Das Berufungsgericht bat dann zunächst den EFTA-Gerichtshof in Luxemburg um eine Einschätzung: Was genau ist in der EU-Wasserrahmenrichtlinie mit dem „übergeordneten öffentlichen Interesse“ gemeint, das eine Ausnahmegenehmigung für schädliche Eingriffe in Gewässer zulässig machen könnte?
Die Antwort im März war ein großer Etappensieg für die Umweltschützer: In Luxemburg teilte man ihre Auffassung, dass ein Zuwachs an Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen allein noch nicht als „übergeordnetes öffentliches Interesse“ durchgehe. Das Urteil war nicht bindend – der Gerichtshof gibt Empfehlungen zur Auslegung von EU-Recht für EWR-Länder wie Norwegen. Und das Berufungsgericht folgte dieser Empfehlung nun weitestgehend.
Es berücksichtigte auch das erst im Rechtsstreit als entscheidend angeführte Argument des Staates, der Rutil-Abbau in Norwegen sei ein Betrag zur Versorgungssicherheit mit kritischen Rohstoffen. Rutil wird als Titan-Vorprodukt für Farbpigmente, aber auch für Waffenproduktion benötigt.
Ob es unzulässig war, nachträglich Gründe hinzuzufügen, um einen Ausnahmefall zu kreieren, sah das Gericht nicht als entscheidend an. Auch unabhängig davon hätten die Argumente nicht die Bedingungen der EU-Wasserdirektive erfüllt.
Die konkrete Bedeutung dieser Grube für die Versorgungssicherheit sei nicht nachgewiesen worden, so das Gericht in Oslo. Auch fehle eine ausführliche Abwägung dieses Punktes gegenüber den zu erwartenden Nachteilen.
Einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Begründungen für die Bedeutung der Grube sah das Gericht ebenfalls nicht. Sie könnten also nicht addiert werden und dann insgesamt schwerer wiegen als die Verschlechterung der Wasserqualität im Fjord.
Das betroffene Unternehmen Nordic Mining hatte den Betrieb trotz des laufenden Verfahrens im Mai aufgenommen. Nach Bekanntwerden des Urteils hieß es von dort, man sei nicht Teil des Gerichtsverfahrens, das Urteil sei deshalb für das Unternehmen nicht bindend und man halte sich bis auf Weiteres an die vorhandenen Genehmigungen.
Der Staat will nun laut dem norwegischen Rundfunk NRK sorgsam abwägen, ob er in Berufung geht vor die dann letzte Instanz, den Obersten Gerichtshof. Bevor das nicht geklärt sei, werde es keinen Betriebsstopp am Fjord geben.
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