Jusitz in Algerien: Sieben Jahre Gefängnis für französischen Sportjournalisten
Seine Recherche zu einem Berber-Fußballverein missfiel wohl der algerischen Regierung. Und so wird Christophe Gleizes zum Spielball einer angespannten Diplomatie.
Der französische Sportjournalist Christophe Gleizes ist von einem algerischen Berufungsgericht in Tizi Ouzou in der Region Kabylei am Mittwoch nach einer kurzen Verhandlung wegen „Terrorismusverherrlichung“ zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der 36-jährige Gleizes arbeitet als Sportjournalist für die französischen Magazine So Foot und Society. Er gilt als Kenner des Fußballs in Afrika und war in Algerien für Recherchen, um ein Buch über zwei bekannte Fußballer zu schreiben.
Er interessierte sich aber auch speziell für die Geschichte des Klubs in Tizi Ouzou, Jeunesse Sportive de Kabylie (JSK). Dieser Klub ist Teil der Tradition der auf ihre sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit stolzen kabylischen Berber. Was aber in irgendeiner Weise nach Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen riecht und sich der laufenden Arabisierung im Land widersetzt, ist dem Regime in Algier ein Dorn im Auge.
Gleizes wurde im Mai 2024 in Tizi Ouzou festgenommen. Im Minimum konnten ihm die algerischen Behörden anlasten, dass er kein Journalistenvisum beantragt hatte und als bloßer Tourist eingereist war. Dafür hat er sich vor Gericht denn auch in allen Tönen entschuldigt.
Gleizes hatte bei seinen Vorbereitungen in Paris unter anderem den im Exil lebenden Intellektuellen Ferhat Mehenni getroffen, den Gründer der Kabylischen Unabhängigkeitsbwegung Mouvement pour l’Autodetermination de la Kabylie (MAK). Diese ist aber seit 2021 in Algerien als „terroristische Organisation“ verboten. Das habe er nicht gewusst, sagte Gleizes reuig vor Gericht. Für die algerische Justiz liegt dennoch der Tatbestand einer „Verherrlichung des Terrorismus“ vor.
Erinnerungen an den Fall Boualem Sansal
Die Organisation Reporter ohne Grenzen protestiert gegen diese Logik: Dass eine Kontaktperson eines Journalisten separatistischer und „terroristischer“ Umtriebe verdächtigt wird, heiße ja nicht, dass der Journalist diese Ideen teile oder gar verbreite.
Der französische Journalist hatte sich von dem Berufungsprozess einen Freispruch oder wenigstens ein milderes Urteil erhofft. Drei Wochen zuvor war der französisch-algerische Schriftsteller Boualem Sansal aufgrund eines Gnadenerlasses des algerischen Präsidenten Abdelmajid Tebboune vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Das war einer offiziellen Intervention aus Berlin zu verdanken. Alle Bemühungen aus Paris hatten nicht gefruchtet, sondern bloß die Fronten noch verhärtet.
Die Beziehungen zwischen Paris und Algier sind wegen Streitigkeiten in der Migrations- und Visapolitik und wegen Differenzen bezüglich der territorialen Zugehörigkeit der Westsahara angespannt. Der drängende Wunsch des französischen Innenministeriums, eine Reihe von unliebsamen algerischen Staatsbürgern abzuschieben, wird von Algier abgelehnt. Umgekehrt weigert sich Frankreich, einen in Algerien wegen Korruption verurteilten Ex-Minister auszuliefern.
Unverheilte Wunden des Kolonialismus und des Unabhängigkeitskrieges erschweren die Verständigung. Keine Seite will in dieser diplomatischen Krise das Gesicht verlieren.
Hoffnung auf „humanitäre Geste“
Dafür bezahlt der Sportjournalist, der bloß seiner Arbeit nachging, nun einen hohen Preis. Er wird – wie zuvor der provokative Autor Sansal – zu einem Spielball der Diplomatie. In den kommenden Tagen will sich Innenminister Laurent Nuñez bei einem seit Längerem geplanten Algerienbesuch für die Freilassung von Gleizes einsetzen.
Die Eltern und Freunde des inhaftierten Journalisten setzen ihre Hoffnung eher auf den angekündigten Papstbesuch in Algerien. Dieser könnte der algerischen Staatsführung als Anlass für eine „humanitäre Geste“ dienen.
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