Justizaffäre in der Ukraine: Richter unter Korruptionsverdacht

Mutmaßliche Bestechung erschüttert den Obersten Gerichtshof. Der Präsident wurde festgenommen, weitere Richter stehen unter Verdacht.

Prallgefülte Briefumschläge

Ewiges Lockmittel: Geld. Dieses Bild hat die ukrainische Antikorruptionsbehörde veröffentlicht Foto: reuters

BERLIN taz | „Das ist ein schwarzer Tag in der Geschichte des Gerichts“, sagte Dmytro Luspenyk, Sekretär einer außerordentlichen Sitzung des Plenums des obersten Gerichtshofs der Ukraine, das am 16. Mai ein Misstrauensvotum gegen den Gerichtspräsidenten Wsewolod Knjasew erwogen hatte. Am Tag zuvor hatten die ukrainischen Antikorruptionsbehörden Knjasew festgenommen, weil er eine Bestechung in Höhe von 2,7 Millionen Dollar entgegengenommen haben soll.

„Die Enthüllung, die wir gemacht haben, ist der sensationellste Fall in der Zeit der Tätigkeit des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine (NABU) und der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP). Dies ist die größte Enthüllung eines hohen Justizbeamten“, kommentierte NABU-Direktor Semjon Krywonos die Verhaftung des Präsidenten des obersten Gerichtshofs.

Ihm zufolge erhielten die Antikorruptionsbehörden Informationen über die Aktivitäten einer kriminellen Gruppe, in die Richter und hohe Gerichtsbeamte verwickelt waren. Laut Krywonos haben seine Mit­ar­bei­te­r*in­nen Kontakte des ukrainischen Unternehmers Kostjantyn Zhevaho mit Mittelsleuten von Richtern aufgezeichnet, die für eine Entscheidung zu Gunsten des Geschäftsmannes einen unzulässigen Vorteil erhalten sollten.

Der Fall betrifft einen 40-prozentigen Anteil an den Besitzverhältnissen der Bergbau- und Aufbereitungsanlage Ferrexpo in Poltawa, dem Hauptvermögen von Zhevaho. In seiner Entscheidung soll das Gericht diese Anteile Unternehmen überlassen haben, die mit dem Unternehmer verbunden sind, und die 20 Jahre alten Kauf- und Verkaufsverträge für ungültig erklärt haben.

Antikorruptionsbehörde ist stolz

Anfang Mai erhielt der Anwalt dieses Unternehmers, der auch an dem kriminellen Plan beteiligt war, von der Führung des Obersten Gerichtshofs offenbar Anweisungen, wie der unrechtmäßige Gewinn unter den Teil­neh­me­r*in­nen der kriminellen Gruppe – den Rich­te­r*in­nen des Obersten Gerichtshofs – zu verteilen sei. Der erste Teil der Bestechung soll am 3. Mai an die Rich­te­r*in­nen gegangen sein und der zweite Teil am 15. Mai, als der Präsident des obersten Gerichtshofs verhaftet wurde.

Unter den Verdächtigen sind 18 Rich­te­r*in­nen des obersten Gerichtshofs

Nach Angaben der spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft wusste man seit Anfang des Jahres von der Existenz dieser kriminellen Machenschaft und war damit beschäftigt, ihre Aktivitäten zu dokumentieren.

Die ukrainischen Antikorruptionsorgane sind stolz auf die Aufdeckung dieser kriminellen Aktivität, weil dadurch das bestehende System gestoppt worden sei. Laut ukrainischer Journalisten war ein verdeckter Ermittler an der Aufdeckung des Systems beteiligt.

Bislang wurde neben Wsewolod Knjasew, dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, eine weitere Person in dem Fall festgenommen, und das Geld wurde beschlagnahmt. Der Verdacht gegen Knjasew wurde jedoch noch nicht zugestellt. Die SAP sagte, dass sie dieses Dokument noch vorbereiten und es spätestens 24 Stunden nach der Verhaftung der Verdächtigen zustellen wird.

Die Überprüfung anderer Personen wegen ihrer Verstrickung in das kriminelle System geht weiter. Unter den ermittelten Verdächtigen sind 18 Rich­te­r*in­nen des obersten Gerichtshofs der Ukraine, die in den Fall Zhevaho verwickelt waren.

Nach ukrainischem Recht ist die Bestrafung für dieses Verbrechen eine Freiheitsstrafe von acht bis zwölf Jahren.

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