piwik no script img

Justizumbau in ItalienSchluss mit lästigen Korruptionsermittlungen

Ministerpräsidentin Meloni will die Laufbahnen von Rich­te­r*in­nen und Staats­an­wäl­t*in­nen trennen. Kritiker warnen vor einer Schwächung der Justiz.

Italiens Premierministerin Giorgia Meloni Foto: Guglielmo Mangiapane/reuters

Von

Michael Braun aus Rom

Die von Italiens Rechtsregierung unter Giorgia Meloni vorangetriebene Justizreform steht vor ihrer endgültigen Verabschiedung im Parlament. Nachdem im September schon das Abgeordnetenhaus die nötigen Verfassungsänderungen abgesegnet hatte, nimmt am Dienstag der Senat die Beratungen auf und wird voraussichtlich am Donnerstag seine Zustimmung erteilen.

Es wäre ein wichtiger Sieg der italienischen Rechten, ein Sieg vor allem mit einem Inhalt: die Staatsanwaltschaften schwächen, die Politik gegen die Justiz stärken.

In Wirklichkeit handelt es sich bei den jetzt auf dem Tisch liegenden Verfassungsänderungen nämlich gar nicht um eine „Reform der Justiz“, sondern um eine Reform der Magistratur, in der bisher Richter und Staatsanwälte zusammengefasst sind. Zwischen den beiden Laufbahnen gibt es in Italien keine Trennung, das Auswahlverfahren absolvieren alle Kan­di­da­t*in­nen gemeinsam. Und gemeinsam üben Rich­te­r*in­nen und Staats­an­wäl­t*in­nen in völliger Autonomie von der Exekutive die Kontrolle über die Justiz aus.

Egal ob Beförderungen, Versetzungen oder auch Disziplinarverfahren: Entscheidungsbefugt ist allein der Consiglio Superiore della Magistratura (CSM – Höchster Rat der Magistratur). Zwei Drittel seiner Mitglieder werden von den „Magistraten“ gewählt, ein Drittel vom Parlament.

Doch die Regierung Meloni will jetzt die Laufbahnen von Rich­te­r*in­nen und Staats­an­wäl­t*in­nen komplett trennen, und sie sieht auch nicht (die in Deutschland zum Beispiel gegebene) Möglichkeit eines Wechsels von der einen in die andere Laufbahn vor. Zwei Bewerbungsprozeduren, zwei Laufbahnen, deshalb in Zukunft auch zwei Höchste Räte der Magistratur wird die Verfassungsreform einführen.

Eine Forderung Berlusconis

Damit wird eine alte Forderung Silvio Berlusconis Wirklichkeit, der ja über Jahrzehnte hinweg mit den Staatsanwaltschaften im Dauerclinch lag, weil sie gegen ihn immer wieder wegen Korruption, Bilanzfälschung oder Steuerbetrugs ermittelten, weil er deshalb dann im Jahr 2013 zu vier Jahren Haft verurteilt wurde. Mit solchen Verfahren wäre in Zukunft wohl Schluss.

Denn auch wenn die Rechtsparteien aus dem Meloni-Block immer wieder treuherzig versichern, ihnen gehe es bloß um die Stärkung der neutralen Rolle der urteilenden Richter zwischen Anklage und Verteidigung, vermuten sowohl der italienische Richterbund als auch die Oppositionsparteien ein ganz anderes Anliegen. Ist die Magistratur nämlich erst einmal aufgespalten, dann wäre es in einem zweiten Schritt möglich, wie in anderen Ländern auch die Staatsanwaltschaften der Weisungsbefugnis des Justizministeriums zu unterwerfen und so ihrer Unabhängigkeit ein Ende zu setzen.

Auch nach der, angesichts der klaren parlamentarischen Mehrheit der Rechtsparteien als sicher geltenden, Zustimmung im Senat ist die Reform jedoch nicht völlig in trockenen Tüchern. Im Parlament braucht es in Italien zwar – anders als in Deutschland – keine Zweidrittel-Mehrheit, um die Verfassung zu ändern. Aber wenn nur die absolute Mehrheit erreicht wird, können die Oppositionsparteien die Ansetzung einer Volksabstimmung verlangen.

Sie haben diesen Schritt schon angekündigt, und im Frühjahr 2026 werden die Ita­lie­ne­r*in­nen zum Referendum über die Justizreform schreiten – und könnten Giorgia Melonis bisher wichtigstes Reformwerk doch noch zu Fall bringen.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Grundsätzlich finde ich eine Trennung von beiden gut - aber nur solange die Unabhängigkeit beider nach dieser Trennung weiterhin gegeben ist.

    In Deutschland sollte der Wechsel zwischen diesen beiden Laufbahnen ebenfalls abgeschafft werden. Man kann doch keinem Richter völlige Neutralität zutrauen, der mal Staatsanwalt war.

    • @Barnie:

      Sorry - Sie übersehen da was!



      Unabhängige Staatsanwälte -



      Da kann Schland nur von träumen •

  • taz: *... von Italiens Rechtsregierung unter Giorgia Meloni vorangetriebene Justizreform [...] eine alte Forderung Silvio Berlusconis Wirklichkeit, der ja über Jahrzehnte hinweg mit den Staatsanwaltschaften im Dauerclinch lag, weil sie gegen ihn immer wieder wegen Korruption, Bilanzfälschung oder Steuerbetrugs ermittelten, [...] die Staatsanwaltschaften schwächen, die Politik gegen die Justiz stärken.*

    Die Rechten wollen alles in ihre Hand bekommen, damit sie die Alleinherrschaft übernehmen können. Viele Bürger sind leider immer noch nicht intelligent genug, um diese Gefahr zu erkennen. Man sieht es ja in den USA und auch schon bei uns in Deutschland, dass man den einfältigen Bürgern nur genug Feindbilder geben muss - an die sie sich dann "abarbeiten" können - um dann still und leise den demokratischen 'Rechtsstaat' in einen 'rechten Staat' umzubauen.

  • Die italienische Justiz ist unabhängig und sie funktioniert - wer das ändern will, der macht sich verdächtig.

  • Was der “Ölpfütze von Mann“ (Wiglaf Droste) einst nicht gelang - sollen bitte spätestens die Italiener selbst qua Referendum auch für



    il presidente del consiglio Il Melone 🍉 in die Tonne treten.



    Dank im Voraus.

    unterm——



    Während die italienische Justizkonstruktion



    “…Entscheidungsbefugt ist allein der Consiglio Superiore della Magistratura (CSM – Höchster Rat der Magistratur).…)) durchgesetzt handstreichartig von ca 50 Nasen -



    Von den Spaniern Portugiesen &(tlw) den Franzosen angekupfert!



    Dümpelt die schlandsche Justiz konstruktiv noch immer bei 1870/71 rum!



    “Richterliche Unabhängigkeit?



    Mir doch egal wenn ich Einstelle & Befördere!“



    (ps schön btw daß nach unfaßbarem Hassel mein ehemaliger junger Kammerkollege als OVG Präsi dennoch nicht zu verhindern war! Gwücklunsch)