Justizumbau in Italien: Schluss mit lästigen Korruptionsermittlungen
Ministerpräsidentin Meloni will die Laufbahnen von Richter*innen und Staatsanwält*innen trennen. Kritiker warnen vor einer Schwächung der Justiz.
Die von Italiens Rechtsregierung unter Giorgia Meloni vorangetriebene Justizreform steht vor ihrer endgültigen Verabschiedung im Parlament. Nachdem im September schon das Abgeordnetenhaus die nötigen Verfassungsänderungen abgesegnet hatte, nimmt am Dienstag der Senat die Beratungen auf und wird voraussichtlich am Donnerstag seine Zustimmung erteilen.
Es wäre ein wichtiger Sieg der italienischen Rechten, ein Sieg vor allem mit einem Inhalt: die Staatsanwaltschaften schwächen, die Politik gegen die Justiz stärken.
In Wirklichkeit handelt es sich bei den jetzt auf dem Tisch liegenden Verfassungsänderungen nämlich gar nicht um eine „Reform der Justiz“, sondern um eine Reform der Magistratur, in der bisher Richter und Staatsanwälte zusammengefasst sind. Zwischen den beiden Laufbahnen gibt es in Italien keine Trennung, das Auswahlverfahren absolvieren alle Kandidat*innen gemeinsam. Und gemeinsam üben Richter*innen und Staatsanwält*innen in völliger Autonomie von der Exekutive die Kontrolle über die Justiz aus.
Egal ob Beförderungen, Versetzungen oder auch Disziplinarverfahren: Entscheidungsbefugt ist allein der Consiglio Superiore della Magistratura (CSM – Höchster Rat der Magistratur). Zwei Drittel seiner Mitglieder werden von den „Magistraten“ gewählt, ein Drittel vom Parlament.
Doch die Regierung Meloni will jetzt die Laufbahnen von Richter*innen und Staatsanwält*innen komplett trennen, und sie sieht auch nicht (die in Deutschland zum Beispiel gegebene) Möglichkeit eines Wechsels von der einen in die andere Laufbahn vor. Zwei Bewerbungsprozeduren, zwei Laufbahnen, deshalb in Zukunft auch zwei Höchste Räte der Magistratur wird die Verfassungsreform einführen.
Eine Forderung Berlusconis
Damit wird eine alte Forderung Silvio Berlusconis Wirklichkeit, der ja über Jahrzehnte hinweg mit den Staatsanwaltschaften im Dauerclinch lag, weil sie gegen ihn immer wieder wegen Korruption, Bilanzfälschung oder Steuerbetrugs ermittelten, weil er deshalb dann im Jahr 2013 zu vier Jahren Haft verurteilt wurde. Mit solchen Verfahren wäre in Zukunft wohl Schluss.
Denn auch wenn die Rechtsparteien aus dem Meloni-Block immer wieder treuherzig versichern, ihnen gehe es bloß um die Stärkung der neutralen Rolle der urteilenden Richter zwischen Anklage und Verteidigung, vermuten sowohl der italienische Richterbund als auch die Oppositionsparteien ein ganz anderes Anliegen. Ist die Magistratur nämlich erst einmal aufgespalten, dann wäre es in einem zweiten Schritt möglich, wie in anderen Ländern auch die Staatsanwaltschaften der Weisungsbefugnis des Justizministeriums zu unterwerfen und so ihrer Unabhängigkeit ein Ende zu setzen.
Auch nach der, angesichts der klaren parlamentarischen Mehrheit der Rechtsparteien als sicher geltenden, Zustimmung im Senat ist die Reform jedoch nicht völlig in trockenen Tüchern. Im Parlament braucht es in Italien zwar – anders als in Deutschland – keine Zweidrittel-Mehrheit, um die Verfassung zu ändern. Aber wenn nur die absolute Mehrheit erreicht wird, können die Oppositionsparteien die Ansetzung einer Volksabstimmung verlangen.
Sie haben diesen Schritt schon angekündigt, und im Frühjahr 2026 werden die Italiener*innen zum Referendum über die Justizreform schreiten – und könnten Giorgia Melonis bisher wichtigstes Reformwerk doch noch zu Fall bringen.
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