Kabul nach dem Taliban-Angriff: Gefechte nach 20 Stunden beendet

Der Großangriff der islamistischen Kämpfer auf das Diplomatenviertel in Kabul ist nach 20 Stunden beendet worden. Alle sechs Taliban wurden erschossen.

Sicherheitskräfte in Kabul nach dem Ende der Kämpfe. Bild: reuters

MANAMA taz | Der Angriff der Taliban auf Kabul dauerte 20 Stunden: Es war bereits 9 Uhr am Mittwochmorgen, als Nato-Spezialkräfte und afghanische Truppen den letzten Kämpfer des Taliban-Selbstmordkommandos in einem halbfertigen Hochhaus im Botschaftsviertel Kabuls erschossen. Fast einen Tag und eine Nacht lang hatten neun Angreifer mit Raketenwerfern, Sprengstoff und Maschinengewehren eine Show der Stärke gezeigt und die Millionenstadt gelähmt.

Bei dem Angriff starben nach jüngsten Angaben 15 afghanische Zivilisten und Polizisten. Es sei "keine große Sache", kommentierte US-Botschafter, Ryan Crocker, den Anschlag. Doch der gut koordinierte Terrorangriff zeigt, wie wenig sicher selbst das gut geschützte Diplomatenviertel der afghanischen Hauptstadt ist.

Aus einem leeren Gebäude hatten die Aufständischen am Dienstag das Feuer auf die US-Botschaft und das Hauptquartier der Nato eröffnet. Geschosse schlugen auf dem Gelände ein, doch zu Schaden kam dabei niemand. Mit Kampfhubschraubern und Spezialeinheiten versuchten afghanische Polizei und Nato, die Kontrolle über das Gebiet wiederzuerlangen. Doch die Angreifer waren gut ausgerüstet und hatten offenbar große Mengen Munition und Waffen in das neunstöckige Haus am Abdul-Haq-Kreisel schmuggeln können, in dem sie sich verschanzt hielten.

Dass es ihnen gelang, sich in dem gut kontrollierten Gebiet eine Basis für ihren Angriff zu schaffen, erweckt Zweifel an der Fähigkeit der afghanischen Kräfte, für die Sicherheit Kabuls zu sorgen. "Wir nehmen schon seit längerem an, dass die Taliban die afghanischen Sicherheitskräfte infiltriert haben, doch in der Lage zu sein, in dieser Sicherheitszone zu operieren, zeigt ein sehr hohes Ausmaß der Durchdringung", erklärte Kamran Bokhari, ein Mitarbeiter des US-Analysedienstes Stratfor.

Taliban bekennen sich per SMS zum Anschlag

Die Aufständischen verübten am Dienstag noch drei weitere Angriffe in der Stadt, unter anderem auf eine Polizeistation im Westen Kabuls. Sie wollten damit offenbar die afghanischen Sicherheitskräfte vom Hauptgeschehen im Botschaftsviertel ablenken und gleichzeitig den Anschein erwecken, dass sie überall in der Stadt operierten. Die Taliban, die sich per SMS zu dem Angriff bekannten, sprachen von einem "massiven Selbstmordanschlag" gegen Regierungsgebäude und Einrichtungen des Geheimdienstes.

US-Botschafter Crocker machte das Haqqani-Netzwerk, eine mit den Taliban verbündete islamistische Terrorgruppe, die ihre Basis in Pakistan hat, für den Angriff verantwortlich: "Nach der Information, die wir haben, waren die Angreifer Teil des Haqqani-Netzwerkes. Sie genießen Schutz in Nord-Wasiristan."

Der Haqqani-Klan kämpfte schon in den 1980er Jahren gegen die sowjetischen Truppen in Afghanistan. Er pflegt gute persönliche Kontakte zu al-Qaida. Auf ihr Konto gehen zahlreiche schwere Anschläge in Pakistan und Afghanistan. Die Haqqanis werden in Afghanistan gern für Terrortaten verantwortlich gemacht, weil sie aus dem unbeliebten Nachbarland Pakistan heraus operieren. Doch weil die Gruppe auch eng mit den afghanischen Taliban verflochten ist, ist eine Unterscheidung in der Praxis schwierig.

Die Aufständischen zeigten mit ihrer ausgeklügelten Attacke aus Kabul erneut, wie wenig ihnen die afghanischen Sicherheitskräfte entgegenzusetzen haben, die seit Juli offiziell für die Sicherheit der Millionenstadt verantwortlich sind. Die Nato will ihre Kampftruppen schon im kommenden Jahr vom Hindukusch abziehen. Dies scheint die Offensive der islamistischen Kämpfer in jüngster Zeit erheblich befeuert zu haben.

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