Kämpfe im Irak gegen IS: Kurdischer Erfolg gegen Dschihadisten

Die Peschmerga durchbrechen die Blockade der Sindschar-Berge im Norden des Landes. Besiegt sind die Extremisten aber noch lange nicht.

Kurdische Kämpferinnen nördlich von Sindschar. Bild: Reuters

ISTANBUL taz | Der Mythos von der Unbesiegbarkeit des Islamischen Staat (IS) bröckelt. Im Nordirak haben die sunnitischen Extremisten über das Wochenende mehrere herbe Niederlagen einstecken müssen. Den Peschmerga, den Kämpfern des kurdischen Teilstaats, gelang es, die Blockade der Sindschar-Berge zu durchbrechen und weitere Gebiete rund um Mossul einzunehmen. Gleichzeitig starteten irakische Spezialeinheiten einen Angriff auf den Militärflughafen von Tell Afar, der an der wichtigen Achse zwischen Mossul und der syrischen Grenze liegt.

Die Geländegewinne innerhalb von wenigen Tagen haben offenbar selbst die Kurden überrascht. Außer zwei wichtigen Zufahrtsrouten in die Berge hätten die Peschmerga auch die Stadt Sindschar großenteils unter ihre Kontrolle gebracht, sagte der kurdische Regionalpräsident Masud Barsani bei einem Auftritt in den Sindschar-Bergen am Sonntag. „Wir haben nicht mit all diesen Siegen gerechnet.“

Am vergangenen Mittwoch hatten um die 8.000 Peschmerga-Kämpfer eine Offensive gegen die radikalen Dschihadisten begonnen. Diese ging mit einer Intensivierung der Luftangriffe der USA und ihrer Verbündeten im Kampf gegen den Islamischen Staat einher.

Unterstützt werden die irakischen Kurden von Kämpfern der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Volksverteidigungseinheiten (YPG), dem syrisch-kurdischen Ableger der PKK. Einheiten der YPG kämpften dabei von der syrischen Seite im Westen einen Korridor in Richtung Sindschar frei.

Für Barsani ging es mit seiner Siegesrede in den Sindschar-Bergen freilich auch darum, das ramponierte Ansehen der Peschmerga seiner eigenen Partei wieder aufzupolieren. So wie die irakische Armee im Juni – als der IS mehr oder weniger ohne einen Schuss abzufeuern, die Großstadt Mossul einnahm – versagten Anfang August auch die Peschmerga. Überrascht von dem IS-Angriff zogen sich die Kämpfer weitgehend kampflos aus der Stadt Sindschar, den Sindschar-Bergen, der Nineve-Ebene und weiteren Gebieten rund um Mossul zurück.

In der Region leben vor allem Jesiden und Christen

In diesen Gebieten leben viele Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen. Schutzlos den Fanatikern ausgeliefert, ergriffen Zehntausende die Flucht. Tausende von Jesiden, wegen ihrer eigenen Religion von den Extremisten als Gottlose verfolgt, werden bis heute vermisst, Hunderte von jesidischen Frauen und Mädchen haben die Extremisten versklavt.

Nicht zuletzt das Schicksal der Jesiden, die ohne Essen und Trinken in den Sindschar-Bergen eingeschlossen waren, bildete den Auslöser für die US-Luftangriffe und die internationale Unterstützung für die Peschmerga. Hunderte harrten bis zuletzt, weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten, in den Bergen aus. Am Samstag schickte eine Hilfsorganisation der Barsani-Familie 32 Lkw-Ladungen mit Lebensmitteln. „Die Jesiden sind Teil unserer Ehre“, sagte Barsani am Sonntag. Die Peschmerga würden den IS-Kämpfern und allen, die „unsere Nation“ angreifen, eine Lektion erteilen.

Nilederlagen der irakischen Armee an anderen Fronten

Dabei erklärte Barsani die jetzt eroberten Gebiete zu einem Teil von Kurdistan. Die Kurden würden jeden Zentimeter ihres Landes verteidigen, sagte er. In Sindschar, aber auch anderen Gebieten leben allerdings auch viele sunnitische Araber. Der Konflikt zwischen den Arabern und den Kurden, der seit dem Sturz des Saddam-Regimes schwelt, ist einer der Gründe für die Erfolge des IS.

Die Sunniten fühlen sich nicht nur von der schiitischen Regierung in Bagdad, sondern auch von den Kurden gegängelt. Viele haben deshalb weggeschaut, als der IS aufmarschierte. Wie unter den Schiiten ist auch unter den Kurden die Meinung weit verbreitet, jeder arabische Sunnit sei ein Extremist. Aus etlichen Dörfern, die die Kurden in den letzten Monaten einnahmen, haben sie die einheimischen Araber vertrieben und ihren Besitz als angeblichen IS-Besitz konfisziert.

Trotz der Erfolge der Kurden im Norden des Landes ist der IS im Irak aber noch lange nicht geschlagen. Irakische Truppen und schiitische Milizionäre verloren am Wochenende die Kontrolle über die Stadt Beiji. Erst vor ein paar Wochen hatten sie nahe Beiji eine der größten Erdölraffinerie unter hohen Verlusten eingenommen. In der westirakischen Provinz Anbar mussten Armee und sunnitische Stammeskämpfer ebenfalls Niederlagen hinnehmen.

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