Kämpfe in Afghanistan: Bomben allerorten

In Kabul werden zahlreiche Menschen Opfer eines IS-Doppelanschlages. Parallel dazu starten auch die Taliban ihre Frühjahrsoffensive.

Ein Mann in Kabul weint gelehnt an eine Mauer über die Anschläge

Bestürzung und Trauer in Kabul nach den Anschlägen Foto: dpa

Berlin taz | Bei einem zweifachen Selbstmordanschlag in Kabul sind am Montag mindestens 29 Menschen getötet und mindestens 52 weitere verletzt worden. Zunächst sprengte sich ein Selbstmordattentäter auf einem Motorrad vor dem Eingang einer Einrichtung des afghanischen Geheimdienstes in die Luft. Der zweite Anschlag ereignete sich 20 Minuten später, nachdem Rettungskräfte und Reporter am Anschlagsort eingetroffen waren. Dabei kamen mindestens sieben Journalisten ums Leben.

Einer von ihnen ist Shah Marai, einer der führenden afghanischen Pressefotografen und Cheffotograf der Nachrichtenagentur AFP in Afghanistan. Der örtliche Ableger des „Islamischen Staates“ (IS) übernahm die Verantwortung für die Anschläge.

Bei einem weiteren Anschlag in Chost im Osten Afghanistans wurde am Montag ein Reporter des britischen Rundfunksenders BBC getötet. In einer in Kabul veröffentlichten Mitteilung informierte der Sender über den Tod des afghanischen Reporters Ahmad Shah.

Die Anschläge in Kabul ereigneten sich nur acht Tage nach einem weiteren IS-Anschlag, bei dem etwa 60 Menschen getötet worden waren, vor allem Schiiten. Er eignete sich vor dem Kabuler Registrierungszentrum für die im Oktober geplanten Parlamentswahlen im Westen der afghanischen Hauptstadt.

Krieg in den Provinzen

Die Anschläge in Kabul sind nur die Spitze des Eisberges. Der afghanische Krieg findet vor allen in den Provinzen statt. Seit Eröffnung der Wählerregistrierung wurden fünf weitere Anschläge oder Angriffe auf Wahlzentren gemeldet. Dabei kamen insgesamt weitere acht Menschen ums Leben, zwölf weitere wurden verletzt, darunter Polizisten und Zivilisten.

Die meisten dieser Angriffe werden den Taliban zugeschrieben, die eine Aufforderung zur Wahlteilnahme durch Präsident Aschraf Ghani zurückgewiesen und zu einem Boykott der Wahl aufgerufen hatten.

In den letzten Tagen kam es zudem verstärkt zu Kampfhandlungen, nachdem am vergangenen Mittwoch die aufständischen Taliban ihre diesjährige Militärkampagne eröffnet hatten. Sie trägt den Titel al-Chandaq und ist nach einer im Koran erwähnten Schlacht benannt, in der der Prophet Muhammad ein überlegenes Beduinenheer geschlagen hatte.

Die Namensgebung dürfte eine Herausforderung an die sich überlegen dünkenden US-Truppen in Afghanistan darstellen. Die Taliban hatten in ihrer Erklärung zu al-Chandaq bekannt gegeben, dass es ihr vorrangiges Ziel sei, „amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu töten oder gefangenzunehmen“.

Bomben in Kandahar

In der Südprovinz Kandahar kamen ebenfalls am Montag bei einem Bombenanschlag auf einen Konvoi von Nato-Truppen mindestens 19 Zivilisten um, davon elf Schulkinder. Mindestens 16 weitere Menschen wurden verletzt, davon sechs rumänische Soldaten. Ob auch Amerikaner unter den Opfern waren, ist unbekannt.

Ein weiterer Doppelanschlag ereignete sich am gleichen Tag im Osten Afghanistans. Dabei kam der Chef der Kriminalpolizei des Distrikts Behsud ums Leben. Behsuds Vizepolizeichef überlebte verletzt. Drei Polizisten und vier Zivilisten, darunter zwei Kinder, trugen ebenfalls Verletzungen davon.

Gezielte Mordanschläge auf hohe Angehörige der Sicherheitskräfte und der Regierungsbehörden, meist mit improvisierten Sprengsätzen oder Magnetminen, gehören zum Standardrepertoire der Taliban. In der Vorwoche hatten sie den Vizegouverneur der Provinz Logar ermordet.

Am Freitag und Sonnabend griffen Talibankämpfer mindestens sechs Distrikte in vier Provinzen an. Dabei nahmen sie das Distriktzentrum von Aktepe samt des dortigen Gouverneurssitzes ein. Aktepe liegt in der seit Jahren umkämpften Provinz Kundus, die bis 2013 Hauptstationierungsort der Bundeswehr in Afghanistan war.

Gegenoffensive in Farah

In der Provinz Farah nahe der Grenze zu Iran unternahmen Regierungstruppen eine Gegenoffensive, um Taliban aus Stellungen in der Nähe der gleichnamigen Provinzhauptstadt zu drängen. Dabei töteten sie acht Aufständische und hoben mehrere Waffenlager aus.

In Farah kontrollieren die Taliban mindestens drei Distrikte vollständig und die meisten der acht anderen überwiegend. Koordinierte US-afghanische Operationen, einschließlich von Luftschlägen, finden zur Zeit auch in zwei Distrikten von Balch statt, unter anderem in Tschaharbolak, wo die Taliban vor einer Woche den Polizeichef in die Luft gesprengt hatten.

Ein afghanisches Nachrichtenportal berichtete am Montag zudem, dass die Taliban in der bevölkerungsreichen und bei den letzten Wahlen 2010 umstrittenen Provinz Ghasni den Einwohnern nicht mehr gestatten, staatliche Personalausweise, die sogenannten taskeras, mit sich zu führen. Diese benötigen Wähler, um sich für die kommenden Wahlen registrieren zu lassen.

Damals waren alle Sitze in der Provinz an Hasaras gegangen, da in den meisten Paschtunengebieten die Taliban die Wähler von einer Stimmabgabe abhielten und dadurch nicht genügend Stimmen für Kandidaten aus dieser Bevölkerungsgruppe zusammen kamen.

Jede Provinz ein Wahlkreis

In Afghanistan stellt jede Provinz einen Wahlkreis dar, in dem nach Bevölkerungszahl mehrere Kandidaten gewählt werden. Der damalige Präsident Hamed Karsai griff ein und setzte durch, dass einige Hasaras zugunsten von Paschtunen zurücktreten mussten, was ethnische Differenzen weiter anheizte.

Zuvor hatte auch Afghanistans Oberster Rat der Schiitischen Geistlichkeit die politisch gut organisierte Minderheit aufgerufen, sich nicht an den Wahlen zu beteiligen. Allerdings spricht der Rat trotz seines Namens nicht für den gesamten Klerus dieser Glaubensrichtung.

In den schiitischen Mehrheitsprovinzen Bamian und Daikundi sowie in Balch – mit der Hauptstadt Masar-e Scharif, wo ebenfalls eine starke schiitische Bevölkerungsgruppe lebt – rief die örtliche Geistlichkeit die Menschen auf, sich registrieren zu lassen.

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