Kampf gegen das Ausbaggern : Lieber spät als nie

Die Klagen liegen beim Gericht, das Planverfahren für die Weservertiefung ist abgeschlossen - doch der Widerstand gegen das Projekt wächst, mittlerweile ruft sogar die regionale FDP dazu auf.

Bahn frei für Containerriesen: Baggerschiff auf der Außenweser. Bild: dpa

BREMEN taz | Mit einer Online-Petition beim Bundestag versucht’s jetzt die Bürgerinitiative gegen die Weservertiefung aus Brake. Seit dem Wochenende ist die online, und die Hoffnung auf Erfolg ist auch bei den InitiatorInnen ziemlich gering. „Wir sind ja realistisch“, sagt Sybille Früchtnicht.

Damit der Bundestag überhaupt noch einmal übers Projekt Weservertiefung berät, wären 50.000 UnterstützerInnen nötig. Unterschrieben haben bis Montagmittag 82, am 12. Juli endet die Zeichnungsfrist – und selbst wenn, es bliebe sehr ungewiss, ob der die Bagger stoppt.

Aber wer weiß. Das Ausbaggern der Außenweser, an der die Bremerhavener Containerterminals liegen, und das der Unterweser stößt auch ein Jahr nach Abschluss des Planverfahrens auf Widerstand. Zwar haben ein paar der direkt Betroffenen einem vom Bundesverwaltungsgericht angeregten Vergleich zugestimmt. Aber dem BUND habe kein Angebot vorgelegen, sagt Martin Rohde, Geschäftsführer des Umweltverbandes, nur die Zusage, dass bis zum Urteil im Herbst nicht gebaut wird. Und auch die Bauern erhalten ihre Klage aufrecht: „Wir sind erst im Viertelfinale“, sagt der Kläger Ralf Degen. „Bis 30. Juni haben wir Zeit – und vorher äußern wir uns nicht.“

Die Zufahrt zu den Bremerhavener Containerterminals (Außenweser) soll bis zu 1,20 Meter tiefer und 100 Meter breiter werden.

Für die Unterweser sind zwischen Bremerhaven und Brake 90 Zentimeter, von Brake bis Bremen 40 Zentimeter Absenkung geplant.

Zehnmal wurde die Weser seit 1880 vertieft. Der Tidenhub hat sich in Bremen dadurch von 20 Zentimeter auf 4,50 Meter mehr als verzwanzigfacht.

Es drohen der Verlust wertvoller Uferfeuchtgebiete, die Versalzung der Wiesen und ein Anstieg der Sturmflutgefahr bis Bremen.

Das Problem für die Landwirte – in der Wesermarsch geht’s meist um Milchvieh Weidehaltung– ist die Versalzung: Je tiefer das Flussbett, desto stärker drückt bei Flut die Nordsee ins Land. Das Salzwasser sammelt sich in den Bewässerungs-Kanälen, aus denen die Kühe sonst saufen. Die Konzentration ist schon jetzt oft viel zu hoch – „bis zu neun Gramm je Liter bei trockener Witterung“, sagt Degen.

Mitunter kommt der Widerstand von ganz unverhoffter Seite. So hat sich jetzt ausgerechnet die regionale FDP strikt gegen die Pläne ausgesprochen. „Das ist zugegebenermaßen spät“, sagt Manfred Wolf, Vorsitzender der liberalen Fraktionen im Kreistag und Stadtrat in Nordenham. „Aber wir und unsere Enkel wollen hier ja auch noch leben“, wenigstens das. Denn Schwimmen und Baden das geht in Nordenham schon wieder nicht mehr: Die Sandstrände verschlicken, und ein paar Meter weit draußen reißt dich die Strömung schon weg. „Das ist lebensgefährlich“, bestätigt Wolf. Nein, der ehemalige Airbus-Manager ist weiß Gott kein verkappter Grüner. „Wenn ich hier auf die Weser schaue und es kommen den ganzen Tag nur ein paar Schuten vorbei“, sagt er aber, „dann frage ich mich, wozu brauche ich hier eine Vertiefung?“ Die Kosten sind hoch. Der Nutzen – unklar: „Die Wirtschaftlichkeitsberechnung leuchtet mir nicht ein“, sagt Wolf.

Als Profiteur gilt vor allem die J. Müller AG, die den Hafen in Brake betreibt. Dass die Kosten hoch sein werden, ist gewiss. Denn neben dem Vertiefen der Fahrrinne, das mit rund 50 Millionen Euro beziffert wird, fallen noch Reparaturen an. Die größte: Der Generalplan Wesermarsch (GPW), der die Versalzung eindämmen soll. Dafür waren 37,5 Millionen Euro Landesmittel vorgesehen, aber jetzt rechnet man mit Kosten von 86,5 Millionen Euro oder noch mehr.

Was das Ergebnis der umfangreichen Machbarkeitsstudie zum GPW ist, hat die Landesregierung noch nicht verraten. Kommenden Donnerstag wird Ina Korter (Grüne) da im Landtag nachhaken: „Man bekommt den Eindruck, das soll unter Verschluss gehalten werden“, sagt die Abgeordnete. Ohnehin hält sie es für wenig einleuchtend, dass Niedersachsen sich als Haupt-Financier eines Projekt betätigt, das vor allem gut für die Bremerhavener Containerterminals sei. „Das ist doch Konkurrenz zum Jade-Weser-Port“, sagt Korter.

Stimmt nicht, sagt Ralf Rüdiger Heinrich vom Wirtschaftsverband Weser, und spuckt Zahlen aus: „Der JWP soll, wenn er funktioniert, 3,5 Millionen TEU schaffen, Bremerhaven liegt derzeit bei sechs Millionen.“ TEU ist die Maßeinheit für Containerfracht. Hamburg hat derzeit neun Millionen TEU. Aber der Trend, der gehe ganz eindeutig nach oben: „Bis 2015 liegen wir bei 18-20 Millionen TEU“, prophezeit Heinrich – transportiert von Großfrachtern à 12.000 TEU und größer. Möglich. Bloß liegt deren Tiefgang mit 18 plus x Metern weit jenseits einer um 90 weitere Zentimeter auf 12,80 Meter ausgebaggerten Weser.

Und auch das Gutachten der Planco-Consult überzeugt nicht recht. Das verheißt, dass jedem investierten 25,50 Euro Ertrag gegenüber stünden. Im Jahre 2002 war das. Doch einige der Annahmen sind längst passé: So steigt der Bedarf Bremens an Steinkohlelieferungen nicht an, weil der örtliche Energieversorger eben doch das Kohlekraftwerk nicht baut, das er damals plante.

Die Zahlen sind nicht transparent“, findet Wolf. Viel zu früh habe sich die Landesregierung aufs Projekt festgelegt – von dem fast nur einer profitiere.

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