Kampf um den CDU-Vorsitz: Lauter Täuschungen

Das digitale Verfahren zur Wahl des neuen CDU-Chefs ist ebenso riskant wie der Glaube, Schwarz-Grün sei eine ausgemachte Sache, egal wer gewinnt.

Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Armin Laschet sitzen bei einer Fragerunde gemeinsam eán einem Tisch

Fragerunde mit CDU-Vorsitz-Kandidaten: Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Armin Laschet Foto: Markus Schreiber/ap

Bei den drei Debatten der Kandidaten, die um den CDU-Vorsitz konkurrieren, ging es bislang recht gemütlich zu. Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen gaben sich gegenseitig recht, lächelten, nickten und umschifften professionell möglichen Streit. So ist die CDU eben. Die scharfe inhaltliche Debatte über den Kurs ist etwas für linke Parteien, zu deren DNA der Fortschrittsglaube gehört (oder zumindest gehörte). Die Union beschäftigt sich, von den Wirtschaftsliberalen bis zur Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, lieber mit dem Praktischen. Wo andere ums Programm kämpfen, ist sie pragmatisch.

Dieses Gemächliche, Altväterliche ist aber nur Kulisse, eine Täuschung, sogar eine doppelte. Bei der Macht hört die Harmonie auf. Der CDU-Chef wird Mitte Januar erst digital gewählt, am Ende wird das Ergebnis durch Briefe der Delegierten beglaubigt. Das geht wahrscheinlich gut, muss es aber nicht. Wenn das Ergebnis extrem knapp ausfällt, ist denkbar, dass der Verlierer die Legitimität des Verfahrens infrage stellt. Wie explosiv Zweifel an dem Verfahren sind, zeigte der Streit um den Termin des Parteitages. Merz, der sich übervorteilt fühlte, blies prompt zum Generalangriff gegen das Partei-Esta­blishment. Man sollte nicht vergessen, dass Merz auch die knappe Niederlage gegen Annegret Kramp-Karrenbauer nur als einen Rückschlag auf seinem Weg nach oben verbuchte.

Die zweite Täuschung ist, dass Schwarz-Grün kommt, egal wer CDU-Chef wird, weil die Union ja dem Pragmatismus stets den Vorzug gibt. Doch falls Merz gewinnt, ist das nicht ausgemacht. Der versucht zwar, etwa bei der Frauenquote, ein wenig in die Mitte zu blinken. In Kernfragen wie dem Umbau des Rentensystems oder Sozialem ist er unverrückbar neoliberal. Merz ist nicht nur felsenfest überzeugt, dass er den Kampf um den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur gewinnt, weil er sich für die Stimme der lange unterdrückten Seele der CDU hält. Merz steht auch für ein Programm, das er nicht vom Partei-Establishment pragmatisch kleinraspeln lassen will. Das könnte sogar die erstaunlichen Dehnungskräfte der Grünen überfordern.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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