Kanzlerinkandidatur 2017: Merkel genießt und schweigt

Will Angela Merkel 2017 nochmal kandidieren? Aber sicher. Die taz erklärt weltexklusiv in 30 Sekunden die geheimen Ambitionen der Kanzlerin.

Angela Merkel sitzt auf einem Roten Sessel

Merkel macht ihr Job richtig Spaß – auch wenn es hier gerade nicht so aussieht Foto: dpa

BER­LIN taz | Zu Be­ginn eine nicht allzu ge­wag­te These: Angela Merkel wird selbst­ver­ständ­lich 2017 noch ein­mal als Kanz­ler­kan­di­da­tin der Union an­tre­ten. Viel spricht dafür, wenig da­ge­gen. Und dass Mer­kel zu die­ser Frage bis­her hart­nä­ckig schweigt, ist aus ihrer Sicht nur gold­rich­tig. Eine Kurzana­ly­se der Kar­rie­ream­bi­tio­nen der Frau, die im­mer­hin schon seit knapp elf Jah­ren Bun­des­kanz­le­rin ist.

Warum schweigt Mer­kel?

Sie werde „zum ge­ge­be­nen Zeit­punkt“ be­kannt geben, wie sie sich in Sa­chen Kanz­ler­kan­di­da­tur ent­schei­de – die­sen Satz wie­der­holt Mer­kel seit Mo­na­ten, wenn Jour­na­lis­ten nach ihren Ambitionen für 2017 fra­gen. Merkels Schwei­gen ist tak­tisch nach­voll­zieh­bar, sie hat ja kei­nen Grund, sich eilig zu er­klä­ren.

Alle Deut­schen ken­nen die Kanzlerin, sie bräuchte also als alte neue Kanz­ler­kan­di­da­tin der Union keine An­lauf­zeit, um sich be­kannt zu ma­chen. Au­ßer­dem nutzt ihr das Warten. Sie muss über die Zer­ris­sen­heit der Union in der Flücht­lings­po­li­tik noch etwas Gras wach­sen las­sen. Für einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf braucht sie min­des­tens den pro-for­ma-Frie­dens­schluss mit Horst See­ho­fer. Denn, das weiß Merkel, ohne ein star­kes CSU-Er­geb­nis in Bay­ern wird es im Bund für sie eng.

Wichtige Uni­ons-Leu­te wie Julia Klöck­ner, Volker Bouf­fier oder Nor­bert Lam­mert appellieren bereits auf of­fe­ner Bühne an Merkel, er­neut zu kan­di­die­ren. Das ist eine sehr komfortable Position für die Kanzlerin. Ge­be­ten wer­den, wenn es um ein wirk­lich wich­ti­ges Amt geht, das will doch jeder, oder? Mer­kel ge­nießt, schweigt und lässt ihre Geg­ne­rin, die an sich selbst zwei­feln­de SPD, noch ein bisschen im Un­ge­wis­sen.

Warum will sie noch eine Runde?

Ers­tens: Mer­kel liebt ihr Amt. Bei man­chen Auf­trit­ten blitzt eine ge­ra­de­zu mäd­chen­haf­te Freu­de daran auf, genau da zu sein, wo sie ist.

Zwei­tens: Sie denkt, dass es kei­ner bes­ser kann als sie selbst. Was üb­ri­gens alle Kanz­ler vor ihr auch dach­ten. Berufskrankheit.

Drit­tens: Dann wären da die Ge­schichts­bü­cher. Hel­mut Kohl schaff­te schließ­lich auch volle 16 Jahre.

Vier­tens: Mer­kel ist in der Be­völ­ke­rung immer noch sehr be­liebt. Zwar sind ihre Werte durch die Flücht­lings­po­li­tik ge­sun­ken. Aber ge­mes­sen an der Trag­wei­te der Ent­schei­dun­gen ist der Ver­lust über­schau­bar.

Fünf­tens: In der Union gibt es trotz aller Kri­tik an ihrem Kurs nie­man­den, der es mit ihr auf­neh­men könn­te. Merkel trifft also die Entscheidung – und sie ganz allein.

In der Union ist wirklich kein Geg­ner in Sicht?

Gegenfrage: Können Sie sich einen Kanzler Horst Seehofer vorstellen? Eher nicht, oder?

Seehofer hat sich zum Beispiel nie ernsthaft für Außenpolitik interessiert, ein Feld, das heutzutage spielentscheidend ist. Alle Gedankenspiele in der CSU, 2017 mit einem eigenen Kandidaten anzutreten, sind naive Racheträume, aber keine real tauglichen Szenarien. Ein Bruch mit der großen Schwester würde die CSU in die bayerische Bedeutungslosigkeit zurückwerfen.

Zu­ge­ge­ben, in der CDU ist Merkel nicht mehr unumstritten. Es gibt in der Partei eine nicht zu un­ter­schät­zen­de Sehn­sucht nach mehr Kon­ser­va­tis­mus, Merkel mutete der CDU ja schon vor ihrem liberalen Kurs in der Flüchtlingspolitik echte Verbiegungen zu – siehe Atomausstieg oder Mindestlohn. Aber das Konkurrentenfeld ist überschaubar.

Fi­nanz­mi­nis­ter Wolf­gang Schäu­b­le ist an­zu­mer­ken, dass er davon über­zeugt ist, das Kanzleramt so­fort über­neh­men und ausfüllen zu kön­nen. Aber der er­fah­re­ne Stra­te­ge würde nicht gegen Mer­kel put­schen, und er hätte auch nicht die nö­ti­gen Trup­pen dafür. Für eine CDU-interne Revolte ist Mer­kels Rück­halt in der Par­tei und bei den Bür­ge­rIn­nen noch zu groß.

Ur­su­la von der Leyen, eine am­bi­tio­nier­te Merkel-Kon­kur­ren­tin, wäre in der CSU und in Tei­len der CDU im Mo­ment nicht durch­setz­bar. Zu li­be­ral, zu mo­dern und wie­der eine Frau – dann doch lie­ber Mer­kel. Und Tho­mas de Maizière er­weck­te in der Flücht­lings­kri­se vor allem einen Ein­druck, nämlich den, heil­los über­for­dert zu sein. Er hat sich nun wirk­lich nicht fürs Kanz­ler­amt qua­li­fi­ziert.

Gut und schön. Aber wann wird sich Mer­kel er­klä­ren?

Ver­mut­lich kurz vor dem CDU-Par­tei­tag in Essen im De­zember. Vor den De­le­gier­ten müss­te Mer­kel sich er­neut als Vor­sit­zen­de be­wer­ben. Die­ses Amt und die Kan­di­da­tur ge­hö­ren in der CDU tra­di­tio­nell zu­sam­men, das hat auch Merkel mehrmals deutlich gemacht.

Sie muss also vor­her Klar­text reden, damit die De­le­gier­ten wis­sen, wor­über sie eigentlich ab­stim­men. Net­ter Ne­ben­ef­fekt: Sie könn­te mit einem sehr guten Er­geb­nis rech­nen, weil nie­mand gerne die künf­ti­ge Kanz­ler­kan­di­da­tin be­schä­digt. Dafür ist die zerrissene CDU dann doch zu machtbewusst.

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