Karsai in Berlin : Pingpong angeblich guter Nachrichten

Präsident Karsai wird ein Partnerschaftsabkommen mit Deutschland unterzeichnen. Doch bei dessen finanzieller und personeller Umsetzung sind viele Fragen offen.

Präsident Hamid Karsai verkündet positive Nachrichten. Bild: dapd

BERLIN taz | Wenn Afghanistans Präsident Hamid Karsai auf dem Weg zum Nato-Gipfel in Chicago am Mittwoch Berlin besucht, will er ein Abkommen über eine langfristige strategische Partnerschaft mit Deutschland unterzeichnen. Es regelt Grundsätze der bilateralen Beziehungen nach dem Ende der Nato-geführten Isaf-Mission in Afghanistan zur Jahreswende 2014/15, aus der sich bis dahin auch die noch etwa 4.900 dort stationierten Bundeswehrsoldaten zurückziehen werden.

Karsais Sprecher in Kabul zufolge wollen beide Länder unter anderem in Sicherheitsfragen, inklusive der Lieferung militärischer Hardware, bei der Export- und Unternehmensförderung sowie im Rohstoffbereich kooperieren.

Das Abkommen reiht sich in eine Vielzahl ähnlicher Verträge ein, die Afghanistan unter anderem mit Italien, Frankreich, den USA und Indien abgeschlossen hat.

Gesondert strebt Berlin eine Rohstoffpartnerschaft mit Kabul an, ähnlich der mit der Mongolei und Kasachstan. Das soll deutschen Firmen Anteile an der Erschließung der reichen Bodenschätze am Hindukusch sichern.

Die Partnerschaftsabkommen bauen auf Beistandszusicherungen auf, die Karsai auf der internationalen Afghanistan-Konferenz im Dezember in Bonn erhielt. Sie sollen seiner fragilen und unter militärischem Druck der Taliban stehenden Regierung nach dem Abzug der meisten ausländischen Kampftruppen finanzielle und politische Unterstützung garantieren.

Nominell wird Afghanistan damit als Verbündeter des Westens verankert, auch wenn viele Züge des Regimes eher denen der Nachbarstaaten Pakistan und Iran gleichen.

Allerdings stehen alle Abkommen unter Haushaltsvorbehalt. Keine Regierung kann wegen der globalen Finanzkrise heute schon konkrete Zusagen machen. Ohnehin schrumpfen die Entwicklungshilfebudgets für Afghanistan bereits.

Der größte Geber, USAID, hat seines von 2010 auf 2011 um fast die Hälfte gekürzt. Auch die Beträge der Geberkonferenz in Tokio im Juli werden mit Vorsicht zu betrachten sein: Denn laut einer britischen Studie wurden alle Zusagen für Afghanistan seit 2001 ohnehin nur zu 43,1 Prozent erfüllt.

Freiwillige dürften knapp werden

Nach der jüngsten Mordserie an ausländischen Militär- und Polizeiberatern durch afghanische „Partner“ wankt eine weitere Säule der Kooperation. Bisher stellt Deutschland laut Isaf nur 15 der 353 solcher Berater. Neue Freiwillige dürften sich nur schwer finden.

Ein weiteres Problem: Schon in Bonn konnte die Karsai-Regierung nur in Nachtsitzungen davon überzeugt werden, Reformverpflichtungen zuzustimmen.

Große Teile der afghanischen Zivilgesellschaft machen sich zudem Sorgen darüber, was nach 2014 aus den demokratischen Errungenschaften werden wird, von Frauenrechten bis zur Pressefreiheit – gerade wenn es zu einer politischen Regelung mit den Taliban kommen sollte.

Es geht angeblich voran

Von alledem ist vor den Treffen in Berlin und Chicago offiziell wenig zu hören. Stattdessen gibt es ein Pingpong der guten Nachrichten. Die afghanische Regierung verkündete etwa, in jenen Gebieten, wo ihre Streitkräfte die Sicherheitsverantwortung übernommen hätten, habe sich die Lage darauf in keinem einzigen Fall verschlechtert.

Kanzlerin Angela Merkel griff das vorige Woche in ihrer Regierungserklärung auf, als sie sagte, der Übergabeprozess „kommt voran, und zwar so, wie wir uns das vorgenommen haben“.

Wie es wirklich aussieht, zeigte sich Anfang Mai im Distrikt Zana Khan, südlich von Kabul. Dort griffen Taliban eine Übergabezeremonie an, die sich in wilder Flucht auflöste.

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