Kehrtwende bei der Endlagersuche: Zurück auf Anfang?

Zusätzlicher schwachradioaktiver Atommüll soll zusammen mit hochradioaktivem gelagert werden. Das neue Endlager muss größer ausfallen

Klaus Schweike kontrolliert in 850 Meter Tiefe die Decke der Erkundungsstrecke, die zu einer Endlagerkammer für schwach- und mittelradioaktiven Abfall ausgebaut werden soll.

Aus Furcht vor neuen Protesten soll es kein neues Genehmigungsverfahren für Schacht Konrad geben. Foto: dpa

BERLIN taz | Die Suche nach dem künftigen deutschen Atommüllendlager muss möglicherweise neu beginnen. Während bisher nur für einen Standort für rund 10.000 Kubikmeter hoch radioaktivem Müll gesucht wurde – das sind vor allem die Brennelemente aus Atomkraftwerken – soll das Endlager nun weitere 300.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiven Müll aufnehmen. Das sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Mittwoch bei der Vorstellung des nationalen Entsorgungsprogramms, das die Bundesregierung bei der EU vorlegen muss.

Bei dem zusätzlichen Müll, der nun in der Planung berücksichtigt werden soll, handelt es sich zum einen um die Abfälle, die derzeit im havarierten Versuchs-Endlager Asse lagern und von dort geborgen werden sollen; hier wird ein Volumen von rund 200.000 Kubikmetern erwartet. Dazu können weitere 100.000 Kubikmeter aus der Urananreicherungsanlage in Gronau kommen. Diese gelten bisher nicht als Atommüll, sondern als Wertstoff – doch es gibt erhebliche Zweifel, ob sie jemals wiederverwertet werden.

Bisher galt es als wahrscheinlich, dass die zusätzlichen Abfälle in das ehemalige Erzbergwerk Schacht Konrad bei Salzgitter gebracht werden, das derzeit zum Endlager ausgebaut wird und voraussichtlich 2022 in Betrieb geht. Allerdings würde sich das Einlagerungsvolumen dadurch verdoppeln, was ein neues Planfeststellungsverfahren nötig machen und den Konflikt um das Endlager neu anfachen würde.

Genau das will Hendricks durch ihre Ankündigung verhindern. „Eine Erweiterung von Konrad wollen wir vermeiden“, sagte sie. Allerdings sei diese Option noch „nicht völlig ausgeschlossen“. Zunächst soll das Votum der Endlagerkommission abgewartet werden. Deren 33 Mitglieder aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sollen bis Mitte nächsten Jahres Kriterien für das neue Endlager entwickeln.

Die AG Schacht Konrad, in der Bürgerinitiativen und Kommunen zusammenarbeiten, sieht darum keinen Grund zur Entwarnung. „Die Ankündigung von Frau Hendricks mag ein Akt des guten Willens sein“, sagte Mitglied Peter Dickel der taz. „Aber ein substanzielle Änderung gibt es bisher nicht.“

Das Bundesamt für Strahlenschutz als Betreiber von Schacht Konrad begrüßte die Ankündigung hingegen. Sie sei ein „wichtiges Signal für die Region bei Schacht Konrad“ und gebe „die notwendige Planungssicherheit“, erklärte Präsident Wolfram König.

Neue Anforderungen an das Endlager

Durch die neuen Zielvorgaben ändern sich die Anforderungen an das neue Endlager. Zum einen muss es deutlich größer werden, als bisher geplant – um wie viel, konnte das Ministerium am Mittwoch noch nicht sagen. Zudem muss eine Einlagerung in zwei räumlich getrennten Bereichen möglich sein, denn schwach- und hochradioaktiver Müll dürfen aus Sicherheitsgründen „nicht in einer Kammer“ gelagert werden, sagte der Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit, Wolfgang Cloosters.

Für die Grünen forderte die Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl, die Atomfabrik in Gronau zu schließen, um die Atommüllmenge zu verringern. Positiv sieht sie, dass Hendricks den „zusätzlichen Druck auf Schacht Konrad zurückgenommen“ habe. Das findet auch Hubertus Zdebel (Linke) gut; er kritisierte allerdings, dass das neue Entsorgungsprogramm „durch die Hintertür“ den Arbeitsauftrag der Endlagerkommisson erweitere, ohne den Zeitrahmen entsprechend auszudehnen.

Der Kovorsitzende der Kommission, Michael Müller, begrüßte es hingegen, dass die Regierung die Empfehlungen der Kommission in dieser Frage berücksichtigen wolle.

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