Keine Auskunft zur Bankenabgabe: Schäubles feudale Geheimniskrämerei

Wie viel Geld brächte eine Bankenabgabe? Finanzminister Schäuble lässt das von Experten schätzen, verweigert der Linksfraktion aber die Auskunft. Die will nun klagen.

Behält gern was für sich: Finanzminister Wolfgang Schäuble. Bild: reuters

BERLIN taz | Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Fraktion Die Linke im Bundestag, hat es gereicht, als er vor wenigen Tagen auf Spiegel Online den Artikel entdeckt hat: "Bankenabgabe brächte in Deutschland Milliarden." Der Autor bezog sich auf eine "Erhebung der Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Auftrag des Finanzministeriums". Nun will Schlecht, so sagte er der taz, gegen die Bundesregierung klagen. Grund: Ihm stellt das Finanzministerium die "Erhebung" nicht zu Verfügung.

Schlecht denkt seit langem darüber nach, von wem die Regierung Geld eintreiben muss. Schließlich hat der Staat ein Problem: Schulden. Am gestrigen Mittwoch waren es mehr als 1,676 Billionen Euro. Der 58-jährige Abgeordnete sagt: "Das große Loch kam mit der Finanzkrise." Und: "Wer sie verursacht hat, soll sie auch stopfen." Darum hat er im Januar dieses Jahres eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt: "Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Einnahmen aus einer Finanzkrisen-Verantwortungsgebühr nach dem in den USA diskutierten Modell?"

US-Präsident Barack Obama will vom 30. Juni 2010 an für mindestens zehn Jahre eine Sondersteuer bei den großen Finanzinstituten erheben - in Höhe von jährlich rund 0,15 Prozent auf ihre Verbindlichkeiten. Das soll insgesamt etwa 90 Milliarden Dollar einbringen.

Am 8. Februar erhält Schlecht einen Brief ( "Sehr geehrter Kollege"). Hartmut Koschyk, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, erklärt darin: "Die Bundesregierung verfügt über keine Daten, die eine genaue Ermittlung einer derartigen Finanzkrisen-Verantwortungs-Gebühr" erlaube.

Die restriktive Informationspolitik des Ressorts ist berüchtigt. Auch als noch nicht Wolfgang Schäuble (CDU), sondern Peer Steinbrück (SPD) Finanzminister war, beschwerten sich darüber Abgeordnete, egal welcher Couleur. Wer das Wissen hat, hat die Macht.

Allerdings gab es jüngst auch eine Ausnahme. Auf einer Anfrage der Grünen hin rechneten Schäubles Mitarbeiter ausführlich vor, welche Folgen die in der Koalition umstrittene Kopfpauschale im Gesundheitswesen hätte - und lieferten den Kritikern Munition. Das Ergebnis lautete: Für das FDP-Wunschprojekt müsste der Sozialausgleich für Millionen Versicherte über massive Steuererhöhungen finanziert werden und etwa der Spitzensteuersatz auf 73 Prozent oder sogar 100 Prozent steigen.

Die Anfrage der Grünen kam dem von Haushaltsnöten geplagten Schäuble offenbar gerade recht. Schlechts Anfrage nicht. Der Linke-Politiker vermutet: "Die Bundesregierung will die Banken gar nicht zur Kasse bitten - und nun nicht unter Zugzwang kommen." Der Medienbericht gehe auf Indiskretionen im Hause Schäuble zurück. Schlecht will die Informationsblockade jedenfalls nicht hinnehmen. Er beruft sich auf sein Auskunftsrecht als Abgeordneter - und setzte ein neues Schreiben auf.

"Sehr geehrter Herr Kollege Koschyk, […] ich musste nun Spiegel Online entnehmen", dass der Regierungen Schätzungen zur Bankenabgabe vorlägen, wonach 22 deutsche Kreditinstitute, darunter Deutsche Bank, Commerzbank und Landesbanken, sowie die Allianz und neun weitere Versicherungen betroffen wären. Er sei "sehr befremdet" und bitte um "zügige Aufklärung des Sachverhaltes". Koschyk schreibt drei Tage später: "Die Recherchen der Aufsicht sind interner Natur und wegen ihres vorläufigen Charakters zur Weitergabe nicht geeignet." Es sei üblich, bei bankpolitischen Themen fachliche Bewertungen einzuholen.

Laut Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung zwar eine "exekutive Eigenverantwortung", sie muss Bundestagsabgeordneten nicht über jedes Gespräch von Ministern Rechenschaft ablegen, darf sich ihren "Willen bilden". Schlecht aber argumentiert: "Was schon in den Medien steht, muss auch Parlamentariern zugänglich gemacht werden." Das solle nun das Bundesverfassungsgericht klären.

Dagmar Enkelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, bat indes den CDU-Bundestagspräsidenten Norbert Lammert per Brief, er möge auf die Herausgabe der Berechnungen drängen: Die Bankenrettung sei im parlamentarischen Eilverfahren beschlossen worden, eine Beteiligung der Banken an den von ihnen "verursachten volkswirtschaftlichen Schäden" solle geheim verhandelt werden. Das sei "nicht hinnehmbar".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.