Keine Lust auf Fußball?: Last Exit Nordkorea

Fans, denen der EM-Rummel zuviel ist, könnten nach Nordkorea ausweichen. Die Reiseagentur von Martin Wagenknecht bietet solche Reisen an.

Fußballspieler laufen in eine Stadion ein

Fußballspiel zwischen Nord- und Südkorea in Pjöngjang Foto: Imago/Xinhua

taz.am wochenende: Herr Wagenknecht, Ihre Reiseagentur Pyongyang Travel bietet für Fußballfans Groundhopping-Touren nach Nordkorea an. Wie kommt man auf so was?

Martin Wagenknecht: Wir hatten Kontakt zu Groundhoppern, und da kam die Idee auf.

Es ist kein Angebot der Regierung in Pjöngjang?

Nein, nein! Wir sind eine Firma mit Sitz in Berlin und bieten Reisen nach Nordkorea an. Natürlich arbeiten wir mit der Botschaft und den Behörden zusammen, denn wir kümmern uns um Visa. Ansonsten organisieren wir Reisen zu bestimmten attraktiven Zielen.

Dazu gehören die nordkoreanischen Fußballstadien?

Wir wenden uns mit unseren Angeboten vor allem an bestimmte Zielgruppen. Das sind etwa die Freunde des Nahverkehrs, die in Nordkorea alte Busse und Straßenbahnen erleben möchte. Und das sind eben auch Groundhopper, die einmal ein Spiel im Kim-Il-Sung-Stadion oder im Stadion Erster Mai erleben möchten.

Groundhopping organisiert man ja eigentlich selbst.

Richtig, aber das geht in Nordkorea nicht. Daher bieten wir das an.

Wer reist denn mit Ihnen?

Das Auto war mal eine große Liebe. Es versprach Freiheit, die weite Welt. Dann kam das Umweltbewusstsein und der Motor galt als böse. Und was ist heute? Das lesen Sie in der taz.am wochenende vom 11./12. Juni. Außerdem: Antoine Leiris’ Frau starb während der Terroranschläge im November im Pariser Club Bataclan. Sein Buch heißt „Meinen Hass bekommt ihr nicht“. Ein Gespräch. Und: Fußball in Zeiten des Ausnahmezustands mit fünf Seiten über die EM 2016. Dies und mehr am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Zu 90 Prozent sind es Männer, Teilnehmerinnen sind selten. Aber es ist nicht so, dass die ihre Männer einfach begleiten. Es sind schon Groundhopperinnen. Auch kann man sagen, dass es in der Regel jüngere Teilnehmer sind: zwischen Mitte zwanzig und Mitte vierzig.

Hören Sie manchmal Kritik an Ihrem Nordkorea-Angebot?

Manchmal. Vor allem, dass Groundhopping doch eigentlich Individualreisen sei. Und dass unsere Angebote nicht billig sind, aber Reisen nach Nordkorea haben eben ihren Preis.

Was kosten sie?

Eine Sechstagereise, die wir jetzt im August anbieten, kostet 1.490 Euro. Eine über elf Tage kostet 2.190 Euro.?

Jüngst ein Eishockeyturnier, davor ein Auftritt des früheren NBA-Stars Dennis Rodman, nun Ihre Groundhopping-Angebote. Kann man eigentlich sagen, dass sich Nordkorea gerade im Sport öffnet?

Ein Beispiel ist sicherlich Jong Tae-se, der beim VfL Bochum und dem 1. FC Köln gespielt hat. Aber es gibt nicht nur im Sport eine Öffnung. Die slowenische Band Laibach hat etwa im vergangenen Jahr als erste westliche Band dort ein Konzert gegeben.

Was kriegen die Groundhopper bei Ihren Reisen überhaupt zu sehen?

Wir besuchen Pflichtspiele im Rahmen des Torch-Cups, wir sind im Kim-Il-Sung-Stadion mit 50.000 Plätzen, im Yang­gak­do-­Stadion mit 30.000 Plätzen, im Stadion Erster Mai mit 150.000 Plätzen und auch in der Pyongyang Football Academy.

Die Academy, was ist das?

Ein sehr großes Nachwuchszentrum für die größten Fußballtalente des Landes. Es liegt auf der Rungna-Insel, ganz in der Nähe des Stadions Erster Mai. Da findet sich modernste Technik, Videoanalysen von Spielen sind möglich und vieles mehr.

In den Stadien, wie ist da die Stimmung?

Mit der in europäischen Arenen kann man sie nicht vergleichen. Es ist verhaltener. Die Menschen gehen auch nicht in Fankleidung ins Stadion, sondern im Anzug. Es sind ja auch nicht Sportvereine, die den europäischen Klubs vergleichbar wären.

Sondern?

Der 25. April etwa, quasi der FC Bayern Nordkoreas, immerhin 15-mal Landesmeister, ist die Armeemannschaft. Jeder große Betrieb, jedes Ministerium, die meisten gesellschaftlichen Einrichtungen haben eigene Mannschaften und die Leute, die ins Stadion kommen, arbeiten meist dort. Es ist durchaus normal, dass Brigaden Karten bekommen. Aber normal ist es auch, dass Karten vor dem Stadion verkauft werden.

Keine Stimmung beim Fußball?

Doch, es gibt schon Menschen, die sich vor die Zuschauerblöcke stellen, mit Megaphon in der Hand und mit Rücken zum Spiel, die für Stimmung sorgen.

So etwas wie die Capos der ­Ultras?

Es klingt etwas anders, aber wenn Sie so wollen: Das sind in gewisser Weise nordkoreanische Capos.

In vielen Ländern gibt es das Phänomen, dass Stadien Orte der politischen Opposition sind – weil man sich beim Fußball mehr und anderes erlauben kann als an anderen öffentlichen Orten. Gibt es das in Nordkorea auch?

Wenn es das gäbe, wir würden es nicht bemerken. Auffallend und unübersehbar ist es auf keinen Fall.

Und der Führerkult, der ausländischen Beobachtern in Nordkorea auffällt, ist der auch beim Fußball präsent?

Es hängen natürlich Porträts der politischen Führer im Stadion und in den Katakomben. Sie finden in Nordkorea keinen öffentlichen Raum, in dem nicht diese Porträts hängen. Da macht der Fußball keine Ausnahme.

Wie beliebt ist Fußball überhaupt in Nordkorea?

Er hat einen hohen Stellenwert, ich denke, er ist schon der Sport Nummer eins, wie ja fast überall auf der Welt, wenngleich hier auch traditionelle Sportarten wie Taekwondo bedeutend sind. Auch Gewichtheben, Tischtennis und Badminton werden von vielen Menschen betrieben

Wird auf den Straßen oder in den Parks gebolzt?

Kaum, da ist Volleyball verbreiteter. Junge Menschen, die Volleyball spielen, sieht man häufiger. Fußball findet an den Schulen statt, dort sind auch Plätze. Aber Rumkicken auf der Straße, das habe ich noch nicht gesehen.

Gibt es eigentlich Probleme, wenn europäische Fußballfans nordkoreanische Stadien entern?

Nein, so gut wie nie. Nur wenn sich jemand falsch verhält, ich meine: wirklich daneben benimmt, dann kann es Probleme geben.

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