Keine Winterromantik: Schimmelnde Zelte und eisige Hallen

In Bremen und Hamburg mussten mehrere hundert Flüchtlinge evakuiert werden, weil ihre Unterbringung zu kalt war.

Menschen laufen in Reihe auf der Straße

Nach den Strapazen der Flucht hoffen die Menschen auf Schutz. In Zelten gelingt das nur bedingt. Foto: Armin Weigel/dpa

HAMBURG taz | Schneeballschlacht und Schlittenfahren? Kein Spaß ist der Wintereinbruch für die Flüchtlinge, die in Norddeutschland nach wie vor in nicht-winterfesten Quartieren leben müssen – vor allem in den Stadtstaaten: In Hamburg mussten 300 Flüchtlinge eine Halle in der Nacht zu Montag komplett räumen – hier war laut Senat eine Heizung ausgefallen.

Flüchtlingsaktivisten kritisieren, dass die Halle schon vorher kalt und nicht isoliert war. Auch in einigen Wohncontainern in der Hamburger Schnackenburgallee sei laut Behörden die Heizung ausgefallen. Das Problem sei behoben.

In Bremen mussten am Montagabend 450Menschen evakuiert werden, die in einer Notunterkunft in der Otto-Hahn-Allee in nicht-winterfesten Zelten leben müssen. Eine Wasserleitung war eingefroren, die Klos unbenutzbar. Bereits in der Nacht zu Montag wurden in Bremen 300 Menschen aus einem anderen nicht-winterfesten Zelt geholt.

Es gab Probleme mit der Heizung, zudem sei auch hier eine Leitung eingefroren und dadurch die Sanitärversorgung ausgefallen, erklärte der Sprecher des Bremer Sozialressorts, Bernd Schneider. Bereits im November mussten in Bremen zweimal 1.400 Flüchtlinge aus Zelten wegen Sturmwarnungen evakuiert werden.

Die Bremische Bürgerschaft hat im Oktober ein Gesetz zur Zwangsbelegung beschlossen. Es ermöglicht die Sicherstellung leer stehender Gebäude, die größer sind als 300 Quadratmeter.

Auch in Hamburg dürfen leerstehende Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen beschlagnahmt werden.

In Niedersachsen sind Beschlagnahmungen theoretisch möglich. Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch entschieden, dass die Stadt Lüneburg ein leer stehendes Kinder- und Jugendheim nicht beschlagnahmen darf. Sie müsse zunächst beweisen, dass sie selbst keine menschenwürdigen Unterkünfte beschaffen könne.

Linke fordern Beschlagnahmungen

Besonders angesichts der aktuellen Minustemperaturen fordern die Linksfraktionen sowie die Flüchtlingsräte in Hamburg und Bremen einhellig, Gebäude nun konsequent zu beschlagnahmen. Die Stadtstaaten hatten im Oktober dafür eigens das Polizeigesetz geändert.

Mit der Anwendung des Gesetzes auf leer stehende Gebäude ist man in beiden Städten allerdings sehr zurückhaltend. Bremens Sozialressortsprecher Schneider erklärte, dies sei gerechtfertigt, wenn der Eigentümer eine geeignete Immobilie nicht zur Verfügung stelle, was in Bremen bislang nur bei einem Baumarkt der Fall gewesen sei, der mittlerweile gemietet wurde. „Weitere Immobilien, die in Betracht kommen, aber nicht an uns vermietet werden, sind uns nicht bekannt“, sagt Schneider.

Die evakuierten Bremer Flüchtlinge müssen daher wohl noch am Montag oder Dienstag wieder zurück in ihre Zelte. Insgesamt wohnen in Bremen aktuell rund 1.250 Menschen in Zelten. Winterfest sind laut Schneider nur zehn Zelte, die in Bremens Kaffee-Quartier neu aufgestellt wurden. Von deren 400 Plätzen seien derzeit 100 belegt.

Schimmel in den Zelten

In Hamburg waren zum Jahresende dagegen die Flüchtlinge aus den „leichten Zelten“ an der Schnackenburgallee in feste Unterkünfte umgezogen. Die Zelte fingen bereits an zu schimmeln. 450 der insgesamt 18.000 Flüchtlinge leben in Hamburg noch in winterfesten Zelten der Bundeswehr.

Die Sprecherin des zentralen Hamburger Flüchtlingskoordinierungsstabes, Kerstin Graupner sagte zur taz: Von der Möglichkeit der Beschlagnahmung mache Hamburg vor allem bei Grundflächen Gebrauch. Schon dagegen werde massenweise geklagt.

Am Fliersbarg steht deshalb eine komplett eingerichtete Unterkunft mit 250 Plätzen leer. AnwohnerInnen hatten hier mit Eilanträgen den Bezug gerichtlich gestoppt. Eine Entscheidung solle laut Graupner noch in dieser Woche fallen.

Besser in den Flächenländern

Insgesamt entspannter scheint die Lage in den Flächenstaaten: In Niedersachsen leben laut Flüchtlingsrat noch immer 1.000 bis 1.500 Menschen in Zelten. „Bisher haben wir noch keine Klagen darüber gehört, dass Flüchtlinge frieren“, sagt Kai Weber, der Geschäftsführer des niedersächsischen Flüchtlingsrates. Das Innenministerium habe ihm versichert, dass alle Zelte beheizt seien und die Luft auch bei Minusgraden konstant 22 Grad warm sei.

In Schleswig-Holstein lebe laut Patrick Tiede, dem Sprecher des Innenministeriums, kein Menschen mehr in Zelten. In der größten Erstaufnahmeeinrichtung in Neumünster stünde zwar noch ein Zelt, darin werde aber nur noch Tischtennis gespielt.

„Schlafen muss da keiner“, sagt Tiede. Das Land habe viele Bundeswehrliegenschaften zu Unterkünften umfunktioniert und insgesamt 14.800 Plätze in der Erstaufnahme geschaffen. Derzeit nehmen aber nur 7.900 Menschen diese Plätze in Anspruch.

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