„Kid's Festival“ in Sarajevo: Fanal gegen den Nationalismus

Seit 13 Jahren organisiert eine Deutsche in Sarajevo ein Festival für zehntausende Kinder. Endlich darf sie es im Stadtzentrum ausrichten.

Menschen picknicken unter Bäumen mit Blick auf Sarajevo

In Sarajevo versteht man es, zu feiern: Familienamusement auf einem Berg über der Stadt im Sommer 2015. Foto: ap

SARAJEVO taz | Endlich hat sie es geschafft. Das „Kids Festival“ findet nicht mehr auf dem verfallenden Gelände des ehemaligen Olympiazentrums in Sarajevo, sondern genau in der Stadtmitte statt. „Bis zum Schluss musste ich den Bezirksbürgermeister und die Stadtoberen überzeugen“, sprudelt es aus der knapp 50-jährigen Susanne Prahl heraus. „Es gab administrative, aber auch politische Bedenken.“

Als die in Kiel geborene und in Paris ausgebildete Kunsthistorikerin, Produktions- und Eventmanagerin, die schon während des Krieges im Zusammenhang mit einem Dokumentarfilm 1994 nach Sarajevo kam und bis heute geblieben ist, das Kids-Festival vor 13 Jahren gründete, „dachten viele Freunde und Bekannte, ich sei bekloppt“. Denn sie verstieß gegen alle politischen und diplomatischen Regeln.

Ihr gingen acht Jahre nach Kriegsende die sich weiter verfestigenden Konflikte zwischen den nationalen Lagern der Volksgruppen der Serben, Muslime und Kroaten auf die Nerven. Sie wollte dem etwas entgegensetzen. „Das Kids-Festival war also von Beginn an ein politisches Projekt“, sagt Susanne Prahl.

Denn die Kinder in Bosnien und Herzegowina, gleich welcher Herkunft, sollten ihrer Meinung nach – gegen die Politik der Trennung – gemeinsam feiern, gemeinsam etwas lernen, positive Gefühle mit nach Hause nehmen.

30.000 Kinder sind eine echte Herausforderung

Natürlich hatte sie Schwierigkeiten, Geld aufzutreiben. Die Botschaften zierten sich, die EU gab zwar später einen zeitlich begrenzten Zuschuss, war aber nicht begeistert. Warum, zeigte die OSZE ganz offen: Nach ihrer Version sollten die Kinder erst als Bosniaken, Serben und Kroaten getrennt und dann wieder als Projekt zusammengeführt werden.

„Das war natürlich Irrsinn, für mich sind Kinder Kinder und nicht Serben, Kroaten oder Muslime“, sagt Prahl. Eltern und Kinder sollten sich selbst organisieren. „Das hat dann auch geklappt, wir haben Lehrer und Bürgermeister, Eltern und Institutionen angesprochen und natürlich vor allem die Kinder. Einige Medien haben uns geholfen.“

Dass in manchen Jahren 30.000 Kinder nach Sarajevo kamen, war logistisch eine große Herausforderung, „Man glaubt es kaum, die Bundeswehr hat mir Rückendeckung gegeben, ohne sie wären die ersten Kids Festivals gar nicht zustande gekommen“, freut sich Susanne Prahl. Als keineswegs groß gewachsene und nicht gerade schwergewichtige Frau war sie gefordert, den regionalen Politikern und Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft die Stirn zu bieten, um das Konzept der sich selbst organisierenden Initiativen durchzusetzen.

Unterstützung, aber nicht aus Deutschland

Viel Unterstützung bekam die Deutsche über all die Jahre von der deutschen Seite nicht. „Dagegen haben sich der italienische und französische Botschafter für eine Deutsche eingesetzt, die das größte Kinderfestival des Balkans organisiert.“ Seit dem 3. Juni feierten die Kinder im Stadtzentrum, begannen mit einer Demonstration durch die historische Altstadt, der Bascarsija.

Diesmal berichteten die Medien breit über das Ereignis. Hunderte von freiwilligen HelferInnen zeugen zudem vom Erfolg des nichtnationalistischen Selbstverwaltungskonzepts. Die meisten von ihnen waren vor Jahren noch selbst Kinder. Jetzt sind sie Organisatoren. In Tunesien, in Bulgarien, Nigeria und Italien folgen neue Initiativen dem Beispiel Sarajevos.

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