Kinderarmut in Deutschland: Jedes siebte Kind

Die Zahl der Familien, die auf Hartz-IV angewiesen sind, hat zuletzt zugnommen. Damit leben auch mehr Kinder und Jugendliche in Abhängigkeit des Jobcenters.

Zwei Kinder, eins zwei Köpfe größer als das andere gehen eine Straße entlang

Ob ein Kind von Hartz IV abhängig ist, ist auch von Region zu Region unterschiedlich Foto: dpa

NÜRNBERG dpa | Knapp jedes siebte Kind unter 18 Jahren in Deutschland ist im vergangenen Jahr auf Hartz IV angewiesen gewesen. Noch vor fünf Jahren war es lediglich knapp jedes achte Kind gewesen. Das geht aus jüngsten Statistiken der Bundesagentur für Arbeit hervor. Noch höher ist die Quote bei den unter Dreijährigen: Von ihnen lebte im Juni 2017 jedes sechste Kind in einer Familie, die Grundsicherung bezog – mit ebenfalls leicht steigender Tendenz und ausgeprägten regionalen Unterschieden, wie die Bundesagentur-Zahlen zeigen.

Insgesamt lebten im Juni vergangenen Jahres 2,052 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Familien, die wegen Jobverlusts oder zu geringen Lohns auf Hartz IV angewiesen waren. Dies sind 5,2 Prozent mehr als im Juni 2016 und sogar 166.560 oder 8 Prozent mehr als vor fünf Jahren.

Die Bundesagentur führt den relativ starken Anstieg im wesentlichen auf die wachsende Zahl ausländischer Familien zurück, die von Jobcentern betreut werden und von Arbeitslosengeld II leben. Eine große Rolle spiele hierbei die wachsende Zahl von Geflüchteten, machte ein Bundesagentur-Sprecher deutlich. Fänden sie nach dem Abschluss ihres Asylverfahrens und dem Absolvieren von Integrations- und Sprachkursen nicht gleich eine Arbeit, müssten in der Regel die Jobcenter für deren Lebensunterhalt aufkommen.

Diese Einschätzung teilt auch der Nürnberger Arbeitsmarktforscher Thorsten Lietzmann. „Es sind neue Gruppen in die Grundsicherung gekommen – und das wird bei den Kindern besonders deutlich.“ Dagegen sei die Zahl der auf Hartz IV angewiesenen inländischen Kinder in den vergangenen Jahren beständig zurückgegangen, machte Lietzmann deutlich. Er forscht beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zum Thema „Grundsicherung und Arbeitsmarkt“. Grund sei die insgesamt sinkende Zahl der Langzeitarbeitslosen.

In Bayern die besten Chancen

Nach Bundesagentur-Angaben lebten Mitte vergangenen Jahres 583.600 Kinder und Jugendliche in ausländischen Familien, die Hartz IV bezogen. Im Vergleich zum Juni 2016 entspricht dies einem sprunghaften Anstieg von 41,1 Prozent. Im Vergleich zum Jahr 2012 verdoppelte sich die Zahl der auf Hartz IV angewiesenen ausländischen Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren sogar fast. Am stärksten fiel der Anstieg zwischen 2016 und 2017 aus, als die Folgen in den Jahren 2015 und 2016 angekommenen Geflüchteten bei den Jobcentern sichtbar wurden.

So erhöhte sich beispielsweise die Zahl der unter 18-jährigen, aus Syrien stammenden Hartz-IV-Bezieher zwischen Juni 2013 und Juni 2017 von 7.659 auf 205.200. Die entsprechende Zahl junger Afghanen vervierfachte sich in der Zeit auf 37 .061. Die Zahl junger Iraker stieg um das Zweieinhalbfache auf 51.055. Aber auch Migranten aus der EU ließen die Zahl der jungen Hartz-IV-Bezieher steigen. Mit 30.340 sei Mitte vergangenen Jahres die Zahl junger Grundsicherungsempfänger etwa aus Bulgarien fünf Mal so hoch gewesen wie noch Mitte 2013.

Ob ein Kind auf Hartz IV angewiesen ist, hängt allerdings stark von der Region ab, in der seine Familie lebt. Das geringste Risiko, bereits von Kindesbeinen an auf die staatliche Grundsicherung angewiesen zu sein, hat man nach den Arbeitsagentur-Zahlen in Bayern, wo lediglich 6,8 Prozent der unter 18-Jährigen in Familien mit Hartz-IV-Bezug leben, gefolgt von Baden-Württemberg mit einer sogenannten Hilfsquote von 8,4 Prozent. In Bremen und Berlin ist dagegen fast jedes dritte Kind (bis zum Alter von 18 Jahren) auf staatliche Unterstützung angewiesen, in Sachsen-Anhalt und Hamburg ist es gut jedes fünfte Kind bzw. Jugendlicher.

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