Kinderheime in der Coronakrise: Drohmails an die Diakonie

Im Internet kursiert das Gerücht, Behörden würden infizierte Kinder aus Familien nehmen. Ein Missverständnis – unter dem die Diakonie leidet.

Kinderfüße und ein auf dem Boden aufgeklebter Pfeil.

Bloß kein Durcheinander: aufgeklebte Pfeile auf den Fluren einer Frankfurter Kita Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

BERLIN dpa/taz | Das Diakonische Werk Michaelshoven bei Köln hat ein unruhiges Wochenende hinter sich. „Bei uns sind hunderte Drohmails bis hin zu Morddrohungen eingegangen“, berichtet Sprecherin Melani Köroglu. Grund ist eine Stellenanzeige vom 6. August, die missverständlich formuliert war, wie die Sprecherin einräumt. Manche LeserInnen verstanden die Anzeige anscheinend dahingehend, dass Jugendliche und Kinder aus Familien genommen würden, sollten sie sich mit dem Coronavirus infizieren.

In der Anzeige auf der Homepage des Trägers werden für eine Wohngruppe mit sieben Plätzen zwei pädagogische Kräfte gesucht, die „Kinder und Jugendliche betreuen, die aufgrund eines Covid-19 (Corona) Verdachts oder aufgrund eines bestätigten Falles im nahen Umfeld unter Quarantäne stehen“.

Was für Außenstehende nicht klar war: Es handelt sich laut dem Träger um ein internes Angebot der Jugendhilfe. Also um eines für Kinder, die aus Schutzgründen beispielsweise wegen Gewalt vom Jugendamt ohnehin aus der Familie genommen werden und zusätzlich unter Corona-Verdacht stehen. Und für jene jungen Menschen, die bereits in einer Wohngruppe leben und unter Corona-Verdacht geraten. Das verstanden einige Menschen falsch.

„Kein Kind wird aufgrund von Corona-Verdacht einer Familie genommen“, stellt Koroglu klar. Die Diakonie Michaelhoven habe das Angebot auf Wunsch des Jugendamtes schon im April geschaffen, weil gefährdete Kinder und Jugendliche wegen der Pandemie oft nicht die nötige Hilfe erhielten.

Auch Ämter verschicken missverständliche Schreiben

Bereits in der vorigen Woche hatte das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen dementieren müssen, dass Eltern im Falle von Corona-Verdachtsfällen ein Kindesentzug drohe. „In NRW drohen Gesundheitsämter nicht mit der Inobhutnahme von Kindern und ordnen auch nicht die Isolation von Kindern getrennt von der Familie in häuslicher Quarantäne an“, sagte ein Ministeriumssprecher der Neuen Westfälischen.

Das Thema war hochgekocht, weil es in anderen Ländern missverständliche Ämterschreiben gab. In Baden-Württemberg hatte ein Behördenschreiben zur häuslichen Quarantäne von Kindern viele Eltern und auch den Kinderschutzbund empört. Auslöser war ein Fall in Bruchsal, den die Initiative „Familien in der Krise“ an die Öffentlichkeit gebracht hatte.

Nachdem dort an einer Grundschule eine Lehrerin positiv auf das Coronavirus getestet worden war, wurden im Juli zwei Klassen nach Hause geschickt – begleitet von einer Information der Stadt, in der diese bei Nichteinhaltung der „Isolation in sogenannter häuslicher Quarantäne“ mit einem Zwangsaufenthalt in einer geschlossenen Einrichtung gedroht haben soll.

Der Landkreis Karlsruhe wies diese Vorwürfe zurück. Bei dem zitierten Paragrafen handle es sich um einen Auszug aus dem Infektionschutzgesetz, der für sehr seltene Fälle vorgesehen sei. Die Maßnahmen müssten von einem Richter angeordnet werden. „Das Landratsamt Karlruhe hat von dieser Regelung im Falle von Covid-19 bisher keinen Gebrauch gemacht. An die Trennung des Kindes von den Eltern ist hier überhaupt nicht gedacht!“, heißt es in einer Stellungnahme. Wenn es nötig werden sollte, ein Kind zum Schutz anderer zu isolieren, würde es zusammen mit den Eltern untergebracht.

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