Kirche kritisiert Flüchtlingspolitik: Sie finden die Türen versperrt

Katholische und evangelische Bischöfe kritisieren die europäische Flüchtlingspolitik. Sie fordern eine Empfangskultur für die Flüchtigen.

Der evangelische Bischof Gerhard Ulrich fordert, die Türen für Schutzsuchende in zu öffnen. Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN epd | Die Kirchen haben zu Beginn des neuen Jahres ein Umdenken in der europäischen Flüchtlingspolitik gefordert. In einem Neujahrsgottesdienst in der Dresdner Frauenkirche erinnerte der Bischof der evangelischen Nordkirche, Gerhard Ulrich, an Flüchtlinge und Opfer kriegerischer Gewalt in Syrien und im Südsudan. Er rief dazu auf, die Türen für Schutzsuchende in Deutschland weiter zu öffnen.

Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki mahnte am Silvesterabend, das Flüchtlingsthema dürfe in Europa nicht ignoriert oder allein Einreiseländern wie Italien oder Griechenland überlassen werden. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, warnte vor einem Rückfall Europas in überholte Nationalismen.

Die „Menschen auf dem Mittelmeer zwischen Afrika und Europa“ setzten sich lieber der Lebensgefahr und dubiosen Schleppern aus, als in der Heimat zu bleiben, wo sie verfolgt und bedroht würden, sagte Ulrich am Mittwoch mit Blick auf die Bootsflüchtlinge: „Und dann kommen sie, wenn sie Glück haben und nicht zuvor in den Fluten ertrinken, an in Europa – und finden die Türen versperrt.“

„Wie viele Menschen müssen noch sterben, bevor wir aufwachen, bevor wir eingreifen und die Ursachen beseitigen von Flucht und Hunger“, fragte der Schweriner Bischof.

Der katholische Hildesheimer Bischof Norbert Trelle machte ebenfalls auf das Leiden der Flüchtlinge in Lampedusa sowie in Jordanien aufmerksam. Diese oft bis zur Sprachlosigkeit traumatisierten Menschen brauchten neue Hoffnung auf Zukunft, sagte Trelle am Dienstagabend im Hildesheimer Dom. Christen dürften sie nicht aus dem Blick verlieren.

Kritik an mangelnder Gastfreundschaft

Die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann sagte dem epd, es sei ein Skandal, dass Europa nicht die Menschenwürde zur Grundlage für seine Flüchtlingspolitik mache, sondern wirtschaftliche Interessen maßgebend für die Grenzpolitik seien. Sie forderte eine „menschenrechtsbasierte Asylpolitik“ und den gleichzeitigen „politischen Willen zu einer strukturierten Einwanderungspolitik“.

Braunschweigs Landesbischof Friedrich Weber kritisierte eine mangelnde Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen in Deutschland. Derzeit würden Asylsuchende immer wieder so aufgenommen, „dass man sich eigentlich nur dafür schämen muss“, sagte der evangelische Theologe dem Evangelischen Pressedienst. Oft fehle eine „Empfangskultur für die Zuwanderer“. So würden sie mitunter in skandalöse, dreckige Unterkünfte gebracht.

Der Freiburger Erzbischof Zollitsch rief zu Solidarität und Nächstenliebe auf. „Bauen wir weiter an diesem Kontinent des Friedens, an einer Welt der Verständigung, der Solidarität und der Nächstenliebe“, sagte er im Jahresschlussgottesdienst im Freiburger Münster. Auch er erinnerte dabei an die Opfer von Gewalt, Verfolgung und Krieg, etwa in Syrien, im Südsudan und im Nahen Osten.

Die Kriege in Syrien oder Zentralafrika zeigen nach Worten des bayerischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm wie dünn die „Decke der Menschlichkeit ist“. Er forderte eine intensive politische Debatte über eine zielgerichtete und nachhaltige Zuwanderung. Die Botschaft, dass „wir die Augen vor der Not und dem Elend anderer nicht verschließen dürfen“, komme angesichts völlig überladener Flüchtlingsboote allmählich auch in Deutschland an.

Der rheinische Präses Manfred Rekowski rief die Gläubigen zu gesellschaftlichem Engagement auf. „Wir dürfen nicht aufhören, Anwalt der Schwachen zu bleiben“, schrieb er in seiner Neujahrsbotschaft. Die Kirche sei immer „im besten Sinne des Wortes Lobbyist für vergessene, benachteiligte und abgeschriebene Menschen.“ In der Nachfolge Jesu trete sie für Recht, Frieden und Gerechtigkeit ein.

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