Kirchenasyl missachtet: Polizei tritt in die Kirche ein

Polizisten versuchen einen tschetschenischen Flüchtling aus seinem Friedrichshainer Kirchenasyl heraus abzuschieben - ein Tabubruch, kritisieren Flüchtlingsverband und Kirche. Polizei erklärt, Kirchen seien "keine rechtsfreien Räume".

Der Berliner Polizei ist das Kirchenasyl nicht mehr heilig: Am Montagabend versuchten Beamte einen Tschetschenen, der in der Friedrichshainer Galiläa-Samariter-Kirche Schutz gesucht hatte, festzunehmen und abzuschieben. "Das ist ein bisher einmaliger Vorgang in Berlin", sagte Pfarrer Jürgen Quandt vom Verein Asyl in der Kirche. Nur durch die Diskussionen und einen spontan abgehaltenen Gottesdienst von Unterstützern, die sich in der Gemeinde versammelt hatten, sei das Eindringen der Polizei in das Kirchengebäude verhindert worden.

Seit dem 12. Februar gewährt die evangelische Gemeinde am Samariterplatz dem 26-jährigen Tschetschenen Kirchenasyl. Laut seiner Rechtsanwältin Antonia von der Behrens wurde er als Sohn eines inzwischen ermordeten Rebellen mehrfach in seinem Heimatland festgenommen und gefoltert. Der Flüchtling leide unter posttraumatischen Belastungsstörungen, Magengeschwüren und schwerer Blutarmut. Er befinde sich in psychotherapeutischer Behandlung. "Auf diese medizinische Betreuung ist er unbedingt angewiesen", so die Anwältin.

Die Berliner Ausländerbehörde sieht das anders. Vor seiner Ankunft in Berlin vor zehn Monaten war der Tschetschene im November 2007 zuerst nach Polen geflüchtet. Dorthin soll er nun spätestens bis zum 10. März wieder abgeschoben werden. Als "Ersteinreiseland" sei Polen für das Asylverfahren zuständig, so Nicola Rothermel, Sprecherin von Innensenator Ehrhart Körting (SPD). "Die Ausländerbehörde hat bei der Polizei ein Amtshilfeersuchen für die Abschiebung gestellt." Laut der evangelischen Gemeinde seien bereits mehrere Zugriffsversuche der Polizei außerhalb der Kirche erfolglos verlaufen. Die Anwältin und die Gemeinde fürchten, dass der Flüchtling in Polen nicht genug vor Übergriffen tschetschenischer Sicherheitskräfte geschützt und die medizinische Versorgung ungewiss sei.

Bis zu acht Fälle von Kirchenasyl für rund 25 Personen würden aktuell in Berlin gewährt, schätzt Pfarrer Jürgen Quandt. Bisher sei von der Polizei nicht gewaltsam dagegen vorgegangen worden. "Diesmal gab es aber einen klaren Versuch, in die Kirche einzudringen", so Anwältin von der Behrens.

Polizeisprecher Bernhard Schadrowski verteidigt dagegen den Einsatz. "Auch Kirchen sind keine rechtsoffenen Räume." Obwohl man über einen gültigen Einsatzbeschluss verfügt habe, sei die Vollstreckung abgebrochen worden, als die Unterstützer den Einlass verweigerten. "Wir wollten die Situation nicht eskalieren lassen." Der Abschiebebeschluss habe aber weiter Bestand. "Es wird nicht der letzte Vollstreckungsversuch gewesen sein", so Innensenatssprecherin Rothermel.

Die Samariter-Kirche und die Unterstützergruppe hoffen dagegen auf ein Gesprächsangebot von Innensenator Körting. Bisherige Anfragen für eine humanitäre Lösung seien vom Senat nicht beantwortet worden. Inzwischen sei der Tschetschene durch die Vorfälle "extrem angespannt und ängstlich", berichtet Anwältin von der Behrens.

Kritik kommt auch aus Körtings eigener Partei: Der Polizeieinsatz sei "völlig daneben", sagt Canan Seyran, SPDlerin im Abgeordnetenhaus. Mit einem am Dienstag beim Petitionsausschuss eingereichten Gesuch will Seyran dafür sorgen, dass der Schutzraum der Kirche bewahrt wird. Dafür erhielt sie prominente Unterstützung - vom evangelischen Bischof Wolfgang Huber.

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