Kirchentag in Berlin: „Alle sind für Menschenrechte“

In Messehalle 7 dreht sich alles um Willkommenskultur sowie ums Kennenlernen von Deutschen und Geflüchteten. Das ist nicht immer einfach.

Kennen lernen im 20-Minuten-Takt: World-Café zum Thema Migration Foto: Susanne Memarnia

Schlag 11 Uhr hebt an den Biertischen ein Gesumme an wie aus 100 Bienenstöcken. Rund 50 Menschen versuchen, sich beim „World-Café“ zum Thema „Was ist meine Migration?“ in 20 Minuten kennenzulernen. Habtezghi Dawit, 26, aus Eritrea, erzählt freimütig von seinem neuen Leben in Kassel. Wie er mithilfe einer Unternehmensstiftung Deutsch lernt und gerade den Hauptschulabschluss macht. Wie freundlich die Menschen zu Flüchtlingen sind. Dass er Lagerlogistiker werden will und orthodox ist. „Mein Glaube hat mir in der schweren Zeit der Flucht sehr geholfen“, sagt er.

In Halle 7 dreht sich alles um Flucht und Migration – und das Interesse ist groß. Gebannt lauschen die KirchentagsbesucherInnen den Erzählungen junger Männer. Das entbehrt nicht immer der Komik. Etwa wenn eine junge Deutsche einen Iraner fragt: „Und das Gefängnis, war das in Ordnung?“ Darauf der Mann: „Du wirst geschlagen und musst fürs Essen bezahlen.“

Dass es trotz der Bemühungen von beiden Seiten nicht immer einfach ist mit dem Kennen lernen, weiß auch Sabine Jacoby von der Willkommensinitiative in Groß Schönebeck in Brandenburg. Seit über zwei Jahren kümmert sie sich mit anderen in dem 3.000-Seelen-Dorf um die rund 40 Geflüchteten. Alle Flüchtlingsfamilien im Dorf haben eine eigene Wohnung bekommen, erzählt sie, und einen Paten, der sie betreut.

Aber so mancher Helfer habe wieder aufgehört, das Kümmern sei anstrengend. Und es gebe viele Missverständnisse aufgrund von Unkenntnis. „Ein Syrer hat sich mal bei mir über das Jobcenter beschwert“, erzählt sie. Es stellte sich heraus, dass seine Bekannten in Berlin Schwarz­arbeit hatten. „Das kannte er gar nicht, ich musste ihm erklären, dass wir hier Steuern zahlen und wozu.“ Ihr selbst gibt das Helfen aber insgesamt sehr viel, findet sie. „Ich wollte eine Aufgabe. Und ich erweitere meinen Horizont.“

Auch in diesem Jahr hat die taz Panterstiftung junge NachwuchsjournalistInnen eingeladen. Sie werden für uns und für Sie auf täglich vier Sonderseiten sowie bei taz.de aus Berlin berichten. Mit unverstelltem Blick, stets neugierig und das Geschehen ernstnehmend. Das Team besteht aus: Korede Amojo, Malina Günzel, David Gutensohn, Edda Kruse Rosset, Lara Kühnle, Sami Rauscher, Tasnim Rödder und Linda Rustemeier. Unterstützend mitwirken werden die taz-Redakteure Philipp Gessler und Susanne Memarnia. Die redaktionelle Leitung übernehmen die taz-Redakteure Annabelle Seubert und Paul Wrusch.

Die taz ist zudem mit eigenen Ständen auf dem Kirchentag vertreten.

Auch Philipp Marx, der mit zwei Mädchen das „Café der Begegnung“ betreibt, weiß, warum er sich engagiert. „Wir wollten zeigen, dass man mit einfachen Mitteln helfen kann, auch wenn wir nur Jugendliche sind.“ So hat er mit Freunden aus der Schule das „Project Equality“ gegründet. In ihrem Heimatort Ludwigshafen sammeln sie Geld und Sachspenden ein. Die erste Fuhre haben sie in ein Flüchtlingscamp in Slowenien gebracht, beim zweiten Mal waren sie in der Türkei.

Ob sein Engagement etwas mit Glauben zu tun habe? „Wir haben Muslime, Christen und Ungläubige“, sagt Marx. Aber eigentlich sei das egal, findet er. „Alle Religionen sind doch für Menschenrechte.“

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