Kita-Aktionstag für bessere Betreuung: Zeit für Rechenspiele

Mit einem Aktionstag machen Kitas auf die miserable Personalsituation aufmerksam. Der nächste Doppelhaushalt gibt ihnen wenig Anlass zur Hoffnung.

Wo viele Gummistiefel, da viele Kinderfüße. Logischerweise nicht im Wimmelbild: die fehlenden ErzieherInnen. Foto: dpa

Für eine, die laut eigener Aussage gerade „direkt aus der Kampfarena“ kommt, sieht Erzieherin Susanne Wodraschke am Montagmorgen noch recht entspannt aus. Der Eindruck täuscht: Beinahe, sagt die Leiterin der Herz-Jesu-Kita in Prenzlauer Berg merklich frustriert, hätte sie an diesem Pressegespräch zur Betreuungssituation der Krippenkinder gar nicht teilnehmen können – eben weil in ihrer Kita mal wieder Notstand herrsche: „Krankenstand, Fortbildungen, das Übliche“, sagt Wodraschke.

Die Betreuungssituation in den Berliner Kitas ist schlecht: Insbesondere bei den Kleinsten, den Ein- bis Dreijährigen, mangelt es an Personal. Rund sechs Kleinkinder teilen sich die Aufmerksamkeit einer ErzieherIn – im bundesweiten Vergleich der schlechteste Wert. Nun will das Kitabündnis, ein Zusammenschluss aus Gewerkschaften, Kita-Trägern und Elterngremien, am Mittwoch mit einem berlinweiten Aktionstag auf die Misere aufmerksam machen.

Von den zahlreichen Protestaktionen erhoffe man sich, „ein bisschen Schwung in die laufenden Haushaltsverhandlungen zu bringen“, sagte Bernd Schwarz vom Landeselternausschuss Kita. 9 Millionen Euro sieht der Entwurf für den rot-schwarzen Doppelhaushalt 2016/17 derzeit für zusätzliche Stellen im Krippenbereich vor. Allerdings sollen nur Kitas in sogenannten Brennpunktkiezen von den etwa 300 zusätzlichen ErzieherInnen, die das bedeutet, profitieren. Eine allenfalls „homöopathische Dosis“ sei das, befand Roland Kern vom Dachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden.

Das Kitabündnis fordert 107 Millionen Euro für 1.700 Stellen, die auch nicht auf bestimmte Kieze begrenzt sein sollen. Der Betreuungsschlüssel läge dann rein rechnerisch bei 4,9 Krippenkindern pro Erzieherin.

Marianne Burkert-Eulitz, Grüne

„Der Senat plant beim Thema Kita nur Trippelschritte“

Trösten, füttern, windeln

Das sei sogar noch eine „äußerst bescheidene Forderung“, sagte Christa Preising vom Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung. Eine im September veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung kam zu dem Ergebnis: Will man die im Berliner Bildungsprogramm festgeschriebenen Ziele für den Kitabereich ernsthaft umsetzen, müssten 565 Millionen Euro in mehr Fachkräfte investiert werden. Maximal drei Krippenkinder gleichzeitig müsste eine Erzieherin dann noch trösten, füttern, windeln – und nebenbei auch noch: sinnvoll fördern.

Unterstützung für die Forderung des Kitabündnisses kommt von den Grünen: Mehr Fachkräfte im Krippenbereich sei „ein Kernziel“ in den Haushaltsverhandlungen, sagte die familienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Marianne Burkert-Eulitz der taz. Was der Senat plane, seien bestenfalls „Trippelschritte“ in die richtige Richtung: „Nicht nur Kinder in schwierigen Kiezen brauchen schließlich ihre festen Erzieher.“

Zusätzliches Gewicht bekommt die Forderung des Kitabündnisses angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen. Nach Senatsangaben leben derzeit rund 2.500 Kinder im Kita-Alter in den Berliner Sammel- oder Notunterkünften – nur rund 500 von ihnen machen von ihrem Recht auf einen Kita-Platz Gebrauch.

Oftmals hätten die Eltern Angst, die Kinder loszulassen, so ein Sprecher der Senatsverwaltung für Jugend. Die magere Quote wolle man aber erhöhen und mit Infoveranstaltungen in den Unterkünften „gezielt werben“.

Auch das Bündnis will die Flüchtlingskinder in die Kitas holen – allerdings fühle man sich kaum vorbereitet, weder fachlich noch personell, „für diese Kinder, die oft viel durchgemacht haben“, so Kita-Leiterin Wodraschke am Montag.

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