Kita-Demonstration: Familien kriegen die Krise

3.000 Eltern und Erzieher*innen protestieren gegen zu wenige Plätze und schlechte Bezahlung in den Kitas. Bündnis fordert Krisengipfel.

Kinderwagen in Kolonne: Kita-Demo in Mitte Foto: Carsten Koall/dpa

Lena Brose sagt, sie habe letztlich Glück gehabt mit dem Kitaplatz. Sie ist selbst Erzieherin, und weil ihr Arbeitgeber ihren zweijährigen Sohn außer der Reihe aufgenommen hat, geht er nun in die Kita, in der sie arbeitet. „Davor mussten wir zwei Monate Hartz IV beziehen“, sagt sie. Eine absurde Situation: Brose hatte eine Stelle als Erzieherin mit fertigem Arbeitsvertrag, wie sie erzählt. Sie konnte aber nicht arbeiten, weil es keinen Kitaplatz gab. „Arbeitslosengeld habe ich auch nicht bekommen, weil ich dem Arbeitsmarkt wegen der Kinderbetreuung nicht zur Verfügung stehen konnte.“

Zusammen mit rund 3.000 anderen Eltern, Erzieher*innen und ausdauernd trillernden und trötenden Kindern zieht Lena Brose am Samstagvormittag von der Friedrichstraße zum Brandenburger Tor. Gemeinsam demonstrieren sie gegen die „Kitakrise“, wie sie sie nennen. Der Lautsprecher wird im Kinderwagen geschoben. Auf Pappschildern und Plakaten beklagen die Demonstrant*innen den Platzmangel, die schlechte Bezahlung der Erzieher*innen und Probleme, geeignete Räume für Kitas zu finden.

„Von den 30 Kitas, bei denen wir auf der Warteliste standen, hat sich keine einzige bei uns zurückgemeldet“, sagt Brose. Die Kita, in der sie arbeitet, wäre eigentlich für 180 Plätze geeignet. „Wir können aber nur 120 Kinder aufnehmen, weil sich nicht genügend Erzieher*innen finden“, erzählt sie. Sie steht deshalb voll hinter einer der zentralen Forderungen der Demonstration: Erzieher*innen sollten besser verdienen, der Job muss attraktiver werden.

Frederic Döhl, mit seinem 17-monatigen Sohn auf dem Fahrradsitz, läuft aus Solidarität mit, „weil wir jeden Tag sehen, wie toll das mit einem Kitaplatz ist“. Auch Döhl hatte bei der Suche vor allem Glück: „Beim Besichtigungstermin in der Kita standen 100 Eltern vor der Tür. Als ich das gesehen habe, wollte ich erst gar nicht reingehen“, sagt er. „Aus heutiger Sicht kann ich allen nur empfehlen: trotzdem hingehen, trotzdem anmelden.“ Weil ein anderes Kind von der Warteliste erst später in die Kita kam, fiel der Platz an sie. „Anders hätten wir das mit dem Arbeiten gar nicht hinbekommen“, sagt er.

Auf der Bühne am Brandenburger Tor spricht auch Christine Kroke, die die Petition „Wir brauchen Kitaplätze! Jetzt!“ gestartet und die Demo mit initiiert hat. Ein Jahr lang habe sie nach einem Kitaplatz gesucht und fast 100 Kitas angeschrieben, sagt sie. Im vierten Schwangerschaftsmonat habe sie angefangen, habe Excel-Listen angelegt und herumtelefoniert, und das auch noch, als das Kind längst da war. „Es war ein Halbtagsjob im Wochenbett“, sagt Kroke. „Damit hat auch unsere Zukunftsplanung ein Jahr lang auf Eis gelegen.“

Dass es in Berlin zu wenige Kitaplätze gibt, ist in Krokes Augen das Ergebnis einer verfehlten Politik. „Eltern müssen ihre Jobs aufgeben, in Teilzeit gehen oder sich arbeitslos melden, Mütter werden in die Hausfrauenrolle gedrängt. Und alles nur, weil der politische Wille fehlt“, sagt sie. Die Kitas seien andererseits völlig überlastet und könnten die Kinder nicht so fördern wie gesetzlich vorgesehen.

Mit dieser Einschätzung steht Kroke nicht allein: Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Trägerverbänden und Elternvertretungen fordert Bildungssenatorin Sandra Scheeres, Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen und den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (alle SPD) auf, noch vor der Sommerpause einen ­„Erzieher*innen-Krisengipfel“ einzuberufen. Auch die im Senat vertretenen Grünen unterstützen das Bündnis. Auf der Demonstration selbst waren Partei-Symbole allerdings weitgehend unsichtbar.

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